Eine afghanische Mutter sitzt zusammen mit ihrer Tochter auf einem Bett in unserer Ernährungsstation in einer Klinik in Kabul.

Im Kampf gegen den Hunger: Eine Klinik für Kabul

In Afghanistan stellt der Hunger viele Familien vor tägliche Herausforderungen. Jahrelanger Terror, extreme Wetterlagen und eine instabile Wirtschaft haben dazu geführt, dass die Armutsrate im Land extrem hoch ist. Währenddessen sind die Preise für Lebensmittel in den vergangenen Jahren um ein Vielfaches angestiegen. Die Leidtragenden sind vor allem Frauen und Kinder, die von Lebensmittelknappheit immer im besonders betroffen sind. Doch jetzt gibt es in Kabul einen Lichtblick für die Kleinsten – und für ihre Mütter.

In Afghanistan ist die Armut in den Städten angekommen

Aktion gegen den Hunger arbeitet seit über 40 Jahren in Afghanistan. Ein großer Teil unserer Arbeit ist der Betrieb mobiler Kliniken, mit denen wir die vielen abgelegenen Dörfer erreichen, in denen Familien schon seit Jahren mit dem Hunger zu kämpfen haben. Doch mittlerweile ist die Armut auch in den Städten angekommen. Auch hier gibt es Eltern, die nicht mehr wissen, wie sie ihre Kinder oder sich selbst ernähren sollen.

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Unsere neue Ernährungsstation in einer Klinik in Kabul soll diese Eltern und ihre Kinder auffangen. Dort können Eltern ihre Kinder hinbringen, sie auf Mangelernährung untersuchen und auch behandeln lassen. Das Besondere daran: Hier arbeiten viele Frauen in unterschiedlichsten Berufen im Medizinsektor, die insbesondere den Müttern eine Stütze sind.

Frauen in Afghanistan

In Afghanistan werden Frauen und Mädchen seit Sommer 2021 immer mehr ihrer Rechte beraubt. Sie dürfen sich beispielsweise nicht unverhüllt zeigen oder ab einem bestimmten Alter keine Schule oder gar Universität mehr besuchen. Ende 2022 gipfelte alles in einem Berufsverbot für Frauen – auch im medizinischen Sektor und bei humanitären Organisationen.

Das war fatal: Denn ihnen werden damit neben dem Recht auf ein selbstbestimmtes Leben und der Möglichkeit, ihre Familie zu versorgen auch elementare Hilfsdienste verweigert. So wird ihnen oft die gesundheitliche Hilfe nicht gewährleistet, wenn sie an einem frauentypischen gesundheitlichen Problem leiden – weil männliches medizinisches Personal entweder bestimmte intime Untersuchungen nicht durchführen dürfen oder ihnen die Sensibilität für geschlechterspezifische Krankheiten fehlt. Viele gynäkologische Untersuchungen oder auch Stillberatung für junge Mütter dürfen nur von weiblichem Gesundheitspersonal durchgeführt werden. Dürfen diese Frauen nicht arbeiten, bricht die Versorgung für Frauen und Mädchen ein. 

Und auch für viele mangelernährte Kinder stellt diese Entscheidung mitunter ein Todesurteil dar. Denn viele Teammitglieder humanitärer Organisationen sind Frauen. Sie kümmern sich darum, mangelernährte Kinder zu versorgen und ihren Müttern Unterstützung, wie etwa durch Still- oder Ernährungsberatung, anzubieten. Ohne Frauen ist der Kampf gegen den Hunger nicht möglich.

So mussten auch wir unsere Tätigkeiten im Land kurzzeitig stark einschränken. Mittlerweile hat das afghanische Gesundheitsministerium Organisationen eine Genehmigung erteilt, die es ihren weiblichen Fachkräften ermöglicht, im Gesundheitssektor zu arbeiten. So konnten auch viele unserer Kolleginnen ihre Arbeit zumindest wieder in Teilen aufnehmen.

In unserer Kabuler Klinik kümmern sich nun Ärztinnen, Krankenschwestern und Ernährungsexpertinnen darum, mangelernährte Kinder zu behandeln und den Müttern neben wertvollen Tipps auch Halt zu geben und ihnen die Angst um ihre Kinder zu nehmen.

Drei Betten mit mangelernährten Kindern und ihren Müttern, zwei Ärztinnen behandeln zwei der Kinder
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Auf der Ernährungsstation sind vor allem Ärztinnen und Gesundheitshelferinnen den Kindern und ihren Müttern eine große Stütze. Sie können die Kleinen professionell und liebevoll behandeln und ihren Müttern wichtige Tipps und Informationen mitgeben.

Klinik in Kabul: mittlerweile in vollem Betrieb

Seit einiger Zeit sind unsere Mitarbeitenden in der Klinik in Kabul in vollem Einsatz. In der speziellen Abteilung für die Behandlung von Mangelernährung können Eltern ihre Kinder versorgen lassen – und vor allem während der Klinikzeit bei ihnen bleiben. Während die Kinder sich in der Nähe ihrer Eltern erholen können, bekommen Mütter und auch Väter wichtige Informationen zur richtigen Ernährung ihrer Kinder. So erfahren sie etwa, wie sie ihre Kleinen auch ohne viele Mittel gesund ernähren und sie vor Hunger und mit diesem verknüpften Krankheiten schützen können. Dazu gehört beispielsweise auch eine ausführliche Stillberatung für Mütter. Denn wird ein Baby von Anfang an gestillt, sinkt die Gefahr für Mangelernährung und Krankheiten. 

Eine Ernährungsberaterin zeigt einer jungen Mutter mit Baby auf dem Arm mehr zur richtigen und gut umsetzbaren Ernährung von Kleinkindern.
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Zum Programm in der Ernährungsstation gehören auch Beratungsleistungen für Mütter. Hier können sie mehr darüber erfahren, wie sie ihre Kinder auch mit wenigen Mitteln gesund ernähren können, hier bekommen sie Stillberatung, aber können auch selbst ihre Sorgen und Wünsche äußern.

Auch für die Eltern, insbesondere für Mütter, ist die Station ein Ort, an dem sie sich sicher fühlen können. Hier können sie mit speziell in psychosozialer Hilfe geschulten Mitarbeiter*innen auch über ihre eigenen Probleme sprechen oder sich mit anderen Müttern austauschen.

So sieht unser 6-Wochen-Programm zur Behandlung mangelernährter Kinder aus – in der Klinik in Kabul, aber auch in vielen anderen Ländern weltweit:

  • Woche 1: Kleine Patient*innen, die in unsere Gesundheitszentren kommen, werden genau untersucht, um die passende Behandlung und Pflege für sie zu finden. In den ersten akuten Tagen werden sie meist mit einer therapeutischen Spezialmilch gefüttert, die auch jene Kinder gut vertragen, die aufgrund des akuten Hungers keine feste Nahrung zu sich nehmen können.
  • Woche 2: Jedes behandelte Kind erhält eine intensive Behandlung. Die Eltern dürfen mit ihren Kindern im Gesundheitszentrum bleiben und erhalten dort wichtige Tipps, damit ihre Kinder auch über den Therapiezeitraum hinaus gesund bleiben.
  • Woche 3: Ist ein Kind stabil genug, kann die Behandlung oft schon zu Hause weitergeführt werden. Dazu stehen speziell geschulte Gesundheitsexpert*innen bereit, die die Eltern in der richtigen Behandlung und Ernährung schulen und sie begleiten. Viele Kinder zeigen jetzt schon erste Anzeichen besserer Gesundheit. Es gibt weiterhin spezielle, hochkalorische Nahrung für sie, etwa in Form von Erdnusspaste.
  • Wochen 4 und 5: Die andauernde Behandlung und die neuen Routinen zu Hause tragen Früchte: Die meisten Kinder sind jetzt wieder viel munterer und aktiver.
  • Woche 6: Eltern und Kinder haben einen abschließenden Termin in der Klinik. Hier werden die Kinder erneut gewogen und genau untersucht. Auch über die akute Behandlungszeit hinaus haben die Eltern die Möglichkeit, unsere Ernährungsexpert*innen bei Fragen immer wieder anzusprechen. Die Kinder werden langsam wieder an ausgewogene, gesunde Nahrung gewöhnt, damit sie auch weiterhin mit allen für sie wichtigen Nährstoffen versorgt werden.

Sowohl die therapeutische Milch als auch die Erdnusspaste werden übergangsweise gegeben, damit die Kinder auf gut verträgliche Weise alle wichtigen Nährstoffe bekommen. Ziel ist der Übergang zu einer dauerhaft gesunden, ausgewogenen und kindgerechten Ernährung.

Eine Mutter füttert ihr mangelernährtes Kleinkind mit therapeutischer Milch in der Klinik in Kabul.
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In der ersten Zeit in der Klinik bekommen akut mangelernährte Kinder vor allem therapeutische Milch, die sie leicht zu sich nehmen können, auch wenn sie vor Hunger kaum noch essen können. Mütter erhalten wertvolle Tipps für die folgende Therapiezeit zu Hause sowie die Zeit nach erfolgreicher Therapie.

Jetzt mangelernährten Kindern und Müttern helfen
26. MAI 2023
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