Eine Familie aus Somalia versucht, zumindest einen Teil ihrer Habseligkeiten vor den Überflutungen zu retten. Sie laufen durchs hüfthohe Wasser.

Verheerende Überschwemmungen: Not in Somalia

Das Wetterphänomen El Nino führt in Ostafrika zu einer Klimakatastrophe: Historische, tödliche Überschwemmungen in Somalia treiben hunderttausende Menschen in die Flucht. 

Sintflutartige Regenfälle haben im Land am Horn von Afrika die schlimmsten Überschwemmungen seit Jahrzehnten verursacht. Betroffen sind weit mehr als eine Millionen Menschen. Bis jetzt mussten über 334.000 Frauen, Männer und Kinder ihre Häuser verlassen, um Schutz vor den Wassermassen zu suchen. Offiziell werden derzeit mindestens 29 Todesopfer gezählt. Doch die Folgen der Überschwemmung könnten weitere Leben fordern: Die schweren Regenfälle, die Anfang Oktober eingesetzt haben, haben die Ernten zerstört und erhebliche Schäden an Straßen, Häusern, Kliniken und anderer Infrastruktur verursacht. Und im Wasser drohen gefährliche Krankheiten. 

Auf die Dürre in Somalia folgt die Flut: zu viel Wasser auf einmal

Zahlreiche Familien in Somalia haben in den vergangenen Jahren unter einer anhaltenden und zermürbenden schweren Dürre gelitten. Sie hatten schon lange nur begrenzt Zugang zu Nahrungsmitteln und sauberem Wasser, konnten kaum Geld verdienen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Jetzt führen die Überschwemmungen dazu, dass Gesundheitsdienste, Schulen und Märkte nur noch schwer zu erreichen sind. Landwirtschaftliche Flächen, die in den Jahren ohne Regen ausgetrocknet sind, wurden nun von der Flut einfach weggeschwemmt, weil die trockenen Böden dem vielen Wasser nicht standhalten konnten. Die Menschen haben nichts mehr. 

Trotz wiederholter Warnungen von Regierungsstellen und humanitären Organisationen verursachten die schweren Regenfälle und die ausgedehnten Überschwemmungen in mehreren Bezirken schwere Schäden und forderten Menschenleben. Am stärksten betroffen sind die großen Städte im Südwesten: Baidoa, Bardere, Luuq und Galkacyo. 

In der somalischen Region Gedo wurde die Stadt Luuq fast vollständig überflutet, so dass humanitäre Organisationen und Regierungsstellen Boote zur Rettung und Evakuierung von Menschen einsetzen mussten. In Baidoa, starben vier Menschen am ersten Tag der schweren Regenfälle. In der gesamten Stadt sind Geschäfte geschlossen und jegliches Alltagsleben steht still. 

Die Frühwarnsysteme Somalias haben die humanitären Organisationen vor El Nino und seinen möglichen Auswirkungen gewarnt. Das hat unseren Teams dabei geholfen, sich früher vorzubereiten und den Verlust von Menschenleben im Zuge der Katastrophe zu minimieren. Im September haben Aktion gegen den Hunger und unsere Partner Vorräte in schwer zugänglichen Gemeinden gelagert. Jetzt arbeiten wir gemeinsam daran, den von den Überschwemmungen betroffenen Familien schnell zu helfen. 

Mitarbeitende von Aktion gegen den Hunger helfen beim Aufbau eines neuen Geflüchtetenlagers in Somalia nach den schweren Überschwemmungen.
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Ein Team von Aktion gegen den Hunger in Baidoa begutachtet die Lage in einem Flüchtlingslager, das nach den Regenfällen schnell auf noch trockenem Gebiet aufgebaut wurde.

Vertriebene Familien gehören zu den am meisten gefährdeten Personen 

In Baidoa verlor Khadijo Ali Mohamed, eine 28-jährige Mutter von vier Kindern, die im Vertriebenenlager Gofgalol lebt, ihr gesamtes Hab und Gut. Die Familie hat nichts mehr zu essen, die Küche ist zerstört, die Matratzen in ihrer Unterkunft unbrauchbar. Khadijos Mann ist während der Regenfälle sehr krank geworden – das erschwert die Lage der Familie zusätzlich.  

„Das Fieber ging nicht zurück und wir hatten keine Möglichkeit, ihn zu dieser nächtlichen Stunde ins Krankenhaus zu bringen. Selbst jetzt haben wir nichts zu essen“, sagte Khadijo Ali Mohamed. 

Sie und andere Bewohner des Vertriebenenlagers waren gezwungen, in andere Gebiete der Stadt zu fliehen. Die Regenfälle hielten an, auch nachdem sie Häuser, Fahrzeuge und – tragischerweise – Menschen weggespült hatten. 

Khadijo Ali Mohamed, eine Frau aus Somalia, im von den Fluten zerstörten Camp – all ihr Hab und Gut ist weg.
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Khadijo Ali Mohamed sah, wie das Hab und Gut ihrer Familie von den Fluten weggespült wurde.

Am Morgen des 6. Oktober, als das Team von Aktion gegen den Hunger in den Lagern eintraf, wurden die Schreie der Kinder vom Dauerregen übertönt. Die Teammitglieder treffen nur wenige Menschen an, darunter Khadijo und ihre Familie. Sie kehrten zurück, um Stöcke und zerfledderte Stoffreste aus ihrer beschädigten Notunterkunft zu bergen. Daraus wollen sie eine neue Unterkunft bauen, um sich vor der Kälte zu schützen.

Mukhtar Mohamed, ein Lagerleiter in Gofgalool, sprach am Tag nach dem schwersten Regen mit den Teams von Aktion gegen den Hunger, die sich um die Rettung der Menschen und die Bewertung der Schäden kümmern. Ihm zufolge lebten in dem Lager mehr als 300 Vertriebene, darunter schwangere Frauen, Kinder und ältere Menschen. 

„Niemand in diesem Lager hat heute Nacht ein Auge zugemacht. Diejenigen, die noch ein bisschen Glück hatten, standen in ihren zur Hälfte mit Wasser gefüllten Zelten und harrten dort aus. Andere haben ihre Zelte in der Nacht verloren und konnten sich gar nicht vor dem Regen schützen“, erzählte er. 

Kinder spielen in dem verschmutzten Flutwasser in einem überschwemmten Hof.
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Kinder spielen in einem Wassertümpel in Baidoa. Während der starken Regenfälle sind Cholera und durch Wasser übertragene Krankheiten weit verbreitet und gefährden das Leben gefährdeter Familien. 

Die Gefahren von schmutzigem Wasser 

Vertriebene Familien sind prekären Umständen ausgesetzt. Die Überschwemmungen verschlimmern ihre ohnehin schon schwierige Situation noch. Sie müssen nun in höher gelegene Gebiete umgesiedelt werden. Dort ist es zwar trocken, doch sauberes Wasser ist knapp und es gibt keine sanitären Anlagen oder auch nur Waschstationen. Insbesondere Baidoa ist ein Gebiet, in dem durch Wasser übertragene Krankheiten wie Cholera auftreten können, die zu akuter wässriger Diarrhö führen und vor allem für schon geschwächte Menschen und Kinder gefährlich werden können.   

Der Nothilfebeauftragte von Aktion gegen den Hunger, Ibrahim Abdirahman, warnt, dass verunreinigtes Wasser eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt, insbesondere bei Regen. 

„Abwässer aus der ganzen Stadt werden in die Brunnen gespült, was die Ansteckungsgefahr erhöht“, erklärt Abdirahman, der im vergangenen Jahr auch auf den Cholera-Notstand in Baidoa reagiert hat. 

Auch Moskitos finden nach dem Regen zahlreiche Brutstätten. Die Zahl der Malariafälle nimmt zu – auch hier sind besonders schon geschwächte Personen und Kinder unter fünf Jahren besonders gefährdet. 

Im Rahmen unserer Soforthilfe hat das Team von Aktion gegen den Hunger damit begonnen, Wasserstellen zu dekontaminieren, Wasseraufbereitungstabletten bereitzustellen, Hygieneartikel zu verteilen und die Menschen über die Bedeutung guter Hygienepraktiken aufzuklären, um den Ausbruch von Krankheiten in den von uns betreuten Gemeinden zu verhindern. 

Ein Geflüchtetenlager steht vollständig unter Wasser, das durch die sandigen Böden braun eingefärbt ist.
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Vertriebene Familien, die in instabilen, provisorischen Unterkünften leben, sind durch die Überschwemmungen besonders gefährdet. 

Hohe Wasserstände bedeuten hohe Preise 

In der ersten Woche der Regenfälle sind die Lebensmittelpreise in Somalia in die Höhe geschossen. Die Hauptstraße von Mogadischu wurde durch die Überschwemmungen unterspült, und Berichten zufolge stecken viele Fahrzeuge auf der Straße fest. Infolgedessen gelangen viele Lebensmittel nicht in die überfluteten Städte. Das Team für Ernährungssicherheit und Existenzsicherung von Aktion gegen den Hunger bestätigt, dass gängige Lebensmittel wie Reis, Öl, Zucker und Mehl um 35 Prozent teurer geworden sind, und auch die Preise für Gemüse steigen. 

Die steigenden Preise für Waren werden die Ernährungsunsicherheit in Somalia wahrscheinlich noch weiter verschärfen – in einem Land, das durch den Klimawandel bedingte Dürreperioden erlebt, die bereits Millionen von Menschen in den Hunger getrieben haben. El Nino, das wiederkehrende Wetterphänomen, ist einer der Gründe, warum die Regenfälle in diesem Jahr so stark sind. 

Nach Angaben des Büros der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) wird in den kommenden Tagen bis Wochen mit noch mehr Regen in den Gemeinden Somalias gerechnet. Die Wettervorhersage bis Mitte November sagt sehr starke bis extrem starke Regenfälle im Süden Somalias sowie feuchtere Bedingungen als üblich in anderen Regionen des Landes voraus. 

Die Gesundheitsteams von Aktion gegen den Hunger haben sich auf den Weg gemacht, um die besonders betroffenen Gemeinden zu besuchen und dringend benötigte Hilfe zu leisten. Darüber hinaus stellen wir Soforthilfe in Form von Bargeld bereit, um die bedürftigen Familien zu unterstützen und ihnen den Kauf von Lebensmitteln, Medikamenten und anderen lebenswichtigen Gütern zu ermöglichen. Unsere Teams werden in den kommenden Wochen und Monaten auch Notlatrinen in den Vertriebenenlagern errichten, um die sanitären Verhältnisse zu verbessern und das Risiko des Ausbruchs von Krankheiten zu verringern. 

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12. DEZEMBER 2023
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