Im Plenarsaal der Klimakonferenz in Dubai sitzen die Vertreter*innen der Staaten und hören der Sprecherin vorne zu. Über allen wölbt sich eine große Kuppel mit der Aufschrift "Unite, Act, Deliver".

Unsere Bilanz der COP28: Positive Signale, aber zu wenig Verbindlichkeit

Die 28. Weltklimakonferenz in Dubai ist mit einem spannenden Showdown zuende gegangen. Nach zähen Verhandlungen konnten sich die Vertreter*innen der anwesenden Staaten auf eine verbindliche Abschlusserklärung einigen. Auch wenn damit erste Schritte hin zum Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen und zu einer klimagerechten Unterstützung für den Globalen Süden unternommen wurden, müssen wir leider festhalten: Die Ergebnisse reichen bei weitem nicht aus, um den fortschreitenden Klimawandel und seine katastrophalen Folgen einzudämmen. Sie gehen nicht weit genug, um das Recht auf Nahrung für all diejenigen zu schützen, die bereits heute unter den dramatischen Folgen der Klimakrise leiden. 

COP-Abschlusserklärung: Statement voller Kompromisse

Ein Hauptstrang auf der diesjährigen Klimakonferenz bestand darin, eine globale Bestandsaufnahme der Ziele des Pariser Abkommens vorzunehmen. Zum Beispiel: Welche Fortschritte wurden bereits in Richtung 1,5-Grad-Ziel gemacht? Welche Zwischenziele braucht es, um das Ziel weiterhin erreichen zu können? Nach langen Verhandlungen konnten sich die Vertreter*innen auf die „Abkehr von fossilen Brennstoffen“ und die Netto-Null bis 2050 einigen (was bedeutet, dass bis dahin eine möglichst emissionsfreie Wirtschaft angestrebt wird und alle weiterhin verursachten Treibhausgas-Emissionen durch Reduktionsmaßnahmen wieder aus der Atmosphäre entfernt werden müssen). 

Es ist zwar bahnbrechend, dass zum ersten Mal in der Geschichte der Klimakonferenzen der Abschied von der fossilen Wirtschaft in einer offiziellen Erklärung genannt wird. Doch die Formulierungen bleiben wage und lassen zu viele Schlupflöcher offen, um mit dem genügenden politischen Druck einen schnellen globalen Ausstieg voranzutreiben. Zudem wurden keine verbindlichen Finanzierungsregeln festgelegt, um die genannten Ziele zu erreichen. Denn realistisch gesehen geht der globale Umbau schon jetzt zu langsam, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen – im Gegenteil: Wir müssten die Transformation viel schneller und konsequenter vorantreiben. Daher kritisiert Aktion gegen den Hunger, gemeinsam mit zahlreichen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen weltweit, das schwache Ergebnis und fordert konkrete Nachbesserungen.  

Eine Frau mit traditioneller Kleidung und Hut jätet ihr Gemüsebeet.
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Für vielen Kleinbäuer*innen wie Salama Madinda aus Tansania  sind die Ergebnisse der Klimakonferenz entscheidend für ihr Überleben. In vielen Regionen des Globalen Südens zerstören Überschwemmungen, Dürren und andere Wetterextreme immer häufiger Häuser, Felder und Straßen und erschweren den Anbau von Lebensmitteln. Gerade die Gemeinschaften, die am allerstärksten von der Klimakrise betroffen sind, tragen am allerwenigsten zu den globalen Emissionen bei. Zu Recht haben sie auf der COP28 gefordert: Klimagerechtigkeit jetzt!

Zähe Verhandlungen – intransparenter Prozess  

Dabei war lange gar nicht abzusehen, ob die Konferenz überhaupt zu einem Ergebnis kommen würde – so weit auseinander gingen die verschiedenen Meinungen und Interessen. Nach einem sehr schwachen Entwurfstext ging die COP in die Verlängerung und in weitere intensive Verhandlungen, aus der die Abschlusserklärung schließlich hervorging. Während die COP-Präsidentschaft sehr darauf bedacht ist, die Klimakonferenz als Erfolg darzustellen („historischer Konsens der Vereinigten Arabischen Emirate“), gibt es gerade von den kleinen Inselstaaten und weiteren gefährdeten Gemeinschaften lautstarke Kritik. Viele Verhandelnde fühlten sich von der schnellen Verabschiedung der Abschlusserklärung überrumpelt und bemängeln das weichgespülte Ergebnis. Auch wir haben einige Kritikpunkte an den Ergebnissen der COP. Hier werten wir für euch aus, inwiefern die Forderungen von Aktion gegen den Hunger übernommen wurden. 

1. Klimaanpassung: keine verbindlichen Ziele

Ein wichtiger Fortschritt: Bei der Klimakonferenz wurde ein „Framework“ für das „Globale Anpassungsziel“ verabschiedet. Was bedeutet das? Analog zum 1,5-Grad-Ziel, das eine einheitliche Zielsetzung im Bereich der Eindämmung der Klimakrise vorschreibt, soll es auch im Bereich Klimaanpassung ein globales Ziel geben. Allerdings lässt sich das Thema nicht so gut herunterbrechen und griffig formulieren.  

Im Framework werden zwar viele wichtige Themen und Elemente erwähnt, darunter zum Beispiel der Ausbau von Frühwarnsystemen, mehr soziale Sicherung und der Wandel in der Nahrungsproduktion. Aber es fehlen verbindliche und konkrete Ziele und es gibt überhaupt keine Finanzierungspläne, um die ohnehin schlecht ausgestattete Anpassungsfinanzierung aufzustocken. Schauen wir uns das Beispiel der Frühwarnsysteme an: Diese dienen dazu, um Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen oder Dürren – die durch die Klimakrise häufiger auftreten – vorherzusagen. Mit diesen frühen Informationen können betroffene Gemeinschaften sich entsprechend darauf vorbereiten – eine elementare Maßnahme für alle vom Klimawandel betroffenen Regionen. Auch wenn das Ziel ins Framework aufgenommen wurde, dass bis 2027 alle Länder mit Frühwarnsystemen ausgestattet sein sollen, ist die Finanzierung für dieses Vorhaben jedoch nicht geklärt. 

2. Loss and Damage Fund: zu wenig Finanzierung

Ein früher Erfolg war dieses Jahr, dass gleich zu Beginn der Konferenz der sogenannte Fonds für klimabedingte Schäden und Verluste ins Leben gerufen wurde – eine historische Entscheidung! Dieser Finanzierungsmechanismus ist unabdingbar, um von der Klimakrise betroffene Länder für ihre bereits entstandenen Verluste zu entschädigen. Insgesamt kamen 700 Millionen Dollar zusammen – darunter 100 Millionen allein von Deutschland. Was auf den ersten Blick viel erscheint, entspricht jedoch nicht annähernd den notwendigen Finanzierungsbedarfen. Berechnungen zufolge entspricht dies weniger als 0,2 Prozent der irreversiblen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Verluste, die den Ländern des Globalen Südens jedes Jahr durch die globale Erwärmung entstehen.  

Auch konnten sich in den Verhandlungen einige zentrale Interessen der Industrieländer durchsetzen – zum Beispiel wird die Weltbank bis auf Weiteres als Koordinatorin des Fonds fungieren, was das Vertrauen der am wenigsten entwickelten Länder untergraben könnte. Zudem werden die Allgemeinen Menschenrechte – wie zum Beispiel das Recht auf Nahrung – im Entscheidungstext nicht als Grundlage erwähnt, eine zentrale Forderung der Zivilgesellschaft. Dazu wird sich erst in der Umsetzung zeigen, wie einfach der direkte Zugang zu Finanzierung für gefährdete Gemeinschaften wirklich ist. Trotz aller Kompromisse ist die Einrichtung des Fonds aber ein richtiger Schritt nach vorn. 

3. Landwirtschaft und Ernährung: Chance verpasst

Im Bereich Landwirtschaft und Ernährung – einem zentralen Bestandteil unserer Arbeit – sind die Ergebnisse der diesjährigen COP mehr als frustrierend. Auch wenn es natürlich positiv ist, dass die Themen überhaupt diskutiert wurden, kam es zu keinen verbindlichen Ergebnissen. Die Vertreter*innen konnten sich nur auf nicht-bindende politische Absichtserklärungen und wenig ambitionierte Ziele einigen. Die Erklärung zu dem Thema nimmt noch nicht einmal Bezug auf transformative Ansätze wie die Agrarökologie. Dabei liegt in lokalen und klimafreundlichen Anbaumethoden der Schlüssel für eine andere Ernährung. Dieser Verhandlungsstrang hätte eine einmalige Gelegenheit sein können, einen gerechten und nachhaltigen Wandel unseres Ernährungssystems anzustoßen und die Stimmen von Kleinbäuer*innen und Selbstversorger*innen weltweit mit einzubeziehen. Eine vertane Chance. 

Wie blicken wir nach vorn?

Insgesamt können wir uns über einige positive Signale auf der Weltklimakonferenz freuen: die Abkehr von fossilen Energieträgern, der Beginn eines klimagerechten Finanzausgleichs durch den Fonds für klimabedingte Schäden und Verluste und das Framework für die globale Klimaanpassung. Es gibt jedoch keinen wirklichen Grund zum Feiern. Die gemeinsamen Ziele sind zu wage und es wurden keine adäquaten Finanzierungsmechanismen eingerichtet, um die notwendige Transformation voranzutreiben. Das Ziel einer Klimafinanzierung von 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr bleibt weiterhin eine unserer zentralen Forderungen.

Für viele Gemeinschaften im Globalen Süden gibt es keine Zeit mehr für Kompromisse. Die Weltgemeinschaft ist auf dem besten Weg, das 1,5-Grad-Ziel zu verfehlen. Schon heute verlieren Menschen ihre Lebensgrundlagen durch die Folgen des Klimawandels. Und in den kommenden Jahren und Jahrzehnten wird sich die Krise verschlimmern, wenn wir nicht jetzt nachsteuern. Wir üben weiter Druck auf die Regierungen aus, um eine konsequente internationale Klimapolitik voranzutreiben. Außerdem arbeiten wir in zahlreichen Projekten vor Ort bereits ganz konkret an Klimaanpassungsmaßnahmen und ökologischen Anbaumethoden, um betroffene Menschen direkt zu unterstützen.

Nächstes Jahr findet die Klimakonferenz in Baku, Aserbaidschan statt. Wir werden wieder dort sein, um den Entscheidungsträger*innen auf die Finger zu schauen. Denn wir haben keine Zeit zu verlieren.  

21. DEZEMBER 2023
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