Ifrah aus Somalia hält ihre neun Monate alte Tochter in den Armen. Sie stehen vor der Küche, die heute kalt geblieben ist.

Die Auswirkungen des Klimawandels in Somalia: Leben mit Flucht und Hunger

Der Klimawandel hat nicht nur direkte Auswirkungen auf das Leben von Millionen Menschen insbesondere im Globalen Süden. Anhaltende Dürre, gefolgt von schweren Überschemmungen wie aktuell in Somalia führen einerseits dazu, dass ganze Dörfer zerstört werden. Die Klimaextreme lassen Felder verdorren oder überfluten und die Lebensmittelpreise im ganzen Land in die Höhe schnellen. Konflikte entstehen oder werden durch Flucht und Hunger verstärkt, Kämpfe um Nahrung und Wasser brechen aus. Familien müssen ihr Zuhause hinter sich lassen, weil sie sich nicht mehr ernähren können oder weil sie dort nicht mehr sicher sind.  

Wir begleiten zwei Familien im Kahda-Distrikt von Mogadischu, die in einem Camp für Vertriebene leben: Faadumo Haji Ahmed und Ifrah Muse stehen zusammen mit ihren Kindern vor schwierigen Entscheidungen, während sie versuchen, inmitten der anhaltenden Krise zu überleben.  

Somalia zwischen Dürre und Überschwemmung: Faadumos Geschichte

Somalia hat in den vergangenen Jahren mit einer schweren Dürre zu kämpfen. Nun hat es endlich angefangen zu regnen – doch die über Jahre ausgetrockneten Böden können das Wasser nicht mehr aufnehmen. Vielerorts kam es im Frühjahr 2023 zu Überschwemmungen, unter anderem rund um die großen Flüsse Shabelle und Juba. Felder wurden überflutet und ganze Dörfer stehen unter Wasser. Doch sobald das Wasser wieder verdunstet ist, bleibt wieder trockener Boden – und Zerstörung – zurück.  

Faadumo trägt in orangenes Tuch gehüllt einen ihrer Körbe durch das Camp.
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Das ist Faadumo. Sie lebt mit ihrer Familie im Camp in Somalias Hauptstadt Mogadischu. Etwas Geld verdient sich die Korbflechterin dieser Tage dazu, indem sie anderen Menschen die Einkäufe mit ihren Körben transportiert. Kaufen möchte ihre Körbe kaum noch jemand – die Maschinen stellen sie heute günstiger her.

Faadumo und ihre Familie haben trotz der jüngsten Regenfälle im Land weiterhin Schwierigkeiten, nahrhafte Lebensmittel für ihre Kinder zu bekommen. Ihr Mann ist nach Janale zurückgekehrt – die Heimat der Familie. Er möchte dort wieder anfangen, die zurückgelassenen Felder zu bestellen, doch die Zukunft ist noch ungewiss: Weil die Böden auf ihrem Acker noch zu trocken sind, kann es sein, dass nichts wächst, und in der Zwischenzeit hätte die Familie dort nicht genug zu Essen. Faadumo ist daher mit den Kindern vorerst im Camp in Mogadischu geblieben. Die Situation bleibt für die Familie prekär, da sie mit der harten Realität des Lebens in einer unsicheren Umgebung konfrontiert ist. 

„Wohin können wir zurückkehren? Die Farm ist noch nicht fertig, und wir haben dort keine Lebensmittel zur Verfügung, wir wollen unsere Kinder nicht gefährden“, erklärt Faadumo. „Es ist besser, hier zu bleiben, wo wir von Zeit zu Zeit Hilfe von unseren Nachbarn und humanitären Akteuren erhalten.“ 

Faadumo und ihre Familie in ihrer Unterkunft im Camp in Mogadischu.
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Faadumo und ihre Familie teilen sich eine kleine Unterkunft im Camp in Mogadischu. Sie hoffen, irgendwann in ihre Heimat zurückkehren zu können, wenn es dort wieder Arbeit für sie gibt. 

Als Hauptverdienerin arbeitet Faadumo als Arbeiterin auf dem Markt von Bakara. Aber ihr Einkommen reicht nicht aus, um die Grundbedürfnisse der Familie zu decken. Früher ging sie jeden Morgen von zu Hause weg, um Wäsche zu waschen, bevor sie auf dem Markt als Korbflechterin arbeitete. Doch es gibt immer weniger Bedarf für Arbeitskräfte wie sie, weil viele Produkte – auch ihre Körbe – woanders günstiger mithilfe von Maschinen hergestellt und auf dem Markt verkauft werden. So wird es für Faadumo immer schwieriger, genug Geld für den Unterhalt ihrer Familie zu verdienen. 

Faadumo und ihre Familie sind sehr dankbar für die Präsenz von Aktion gegen den Hunger in ihrem Lager. Im nächstgelegenen Gesundheitszentrum, dem Garasbaley Health Center, konnte sie ihre Kinder gegen Mangelernährung und Krankheiten behandeln lassen und Tipps bekommen, wie sie sie günstig, aber vollwertig ernähren kann.  

Rückkehr in die Heimat von den Fluten verhindert: Ifrahs Geschichte

Nicht weit von Faadumos Unterkunft entfernt wohnt die Familie von Ifrah Muse, die als Viehzüchterin in einem Dorf im Bezirk Qoryoley in Lower Shabelle gelebt hat und von dort aus nach Mogadischu umgesiedelt wurde. Ihre Viehherde hat die anhaltende Dürre nahezu komplett nicht überlebt, so dass der Familie keinerlei Einkommens- oder Nahrungsquelle mehr blieb. Heute arbeitet ihr Mann in der Stadt und transportiert mit seiner Schubkarre Waren für andere, doch sein Einkommen ist unbeständig.  

Die Kochstelle in Ifrahs Unterkunft im Camp in Mogadischu ist heute kalt geblieben.
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Die Kochstelle in Ifrahs Unterkunft im Camp in Mogadischu ist heute kalt geblieben.

Ifrah und ihre Familie sind auf die Unterstützung des Gesundheitszentrums in Garasbaley angewiesen. Ihre jüngste Tochter wurde dort kürzlich wegen einer Lungenentzündung behandelt. Zuvor hatte Ifrah dort schon am Ernährungsprogramm teilgenommen. Doch ihre Situation ist nach wie vor katastrophal, denn die Familie hat Mühe, etwas zu essen auf den Tisch zu bringen. Sie wissen nie, wann und woher sie ihre nächste Mahlzeit bekommen. 

Fast 2 Millionen Kinder in Somalia sind mangelernährt

Die Auswirkungen der Dürre in Somalia sind katastrophal, und Familien wie die von Faadumo und Ifrah sind nur zwei Beispiele für die rund 8,3 Millionen Menschen im Land, die laut einem Bericht von FSNAU von April 2023 ums Überleben kämpfen. 1,8 Millionen Kinder sind mangelernährt, Schätzungen zufolge leiden rund 478.000 von ihnen an schwerer akuter Mangelernährung, die sie in Lebensgefahr bringt. Diese besorgniserregende Statistik ist ein deutlicher Hinweis auf die anhaltende und allgegenwärtige Ernährungsunsicherheit im Land, die eine erhebliche Bedrohung für die Gesundheit und das Wohlbefinden der schwächsten Mitglieder der Gesellschaft darstellt.  

Zusätzlich zur Dürre hat die jüngste Überschwemmung der beiden großen Flüsse Shabelle und Juba verheerende Auswirkungen auf die Bevölkerung. Weitere 219.000 Menschen, die entlang der Flüsse leben und Landwirtschaft betreiben, wurden vertrieben. Insgesamt sind laut UN-Angaben mehr als 460.000 Menschen von den Überschwemmungen betroffen. Besonders schlimm ist die Lage für diejenigen, die ihre Häuser und Lebensgrundlagen verloren haben. Da die Böden aufgrund der Dürre bis in tiefe Lagen ausgetrocknet sind, sind sie nahezu versiegelt, so dass das Wasser kaum abfließen kann. Damit steigt zusätzlich die Gefahr für Krankheiten wie Cholera und Malaria, die an Hunger leidende Menschen besonders hart treffen. 

Was macht Aktion gegen den Hunger in Somalia und weltweit? 

Aktion gegen den Hunger arbeitet unermüdlich daran, Familien wie die von Faadumo und Ifrah zu unterstützen. Allein im Distrikt Kahda ist die Rate der akuten Mangelernährung (Global Acute Malnutrition, GAM) mit 15,1 Prozent sehr hoch, wie aus den jüngsten Daten von FSNAU Somalia hervorgeht. Rund 650.000 leben hier im Distrikt – Zehntausende von ihnen sind von Hunger und Mangelernährung bedroht. Die Maßnahmen von Aktion gegen den Hunger bieten diesen Familien lebenswichtige Unterstützung, einschließlich des Zugangs zu nahrhaften Lebensmitteln, Gesundheitsdiensten und Programmen zur Sicherung des Lebensunterhalts. 

Um die anhaltende Krise zu bewältigen, müssen nicht nur ihre Folgen gemindert, sondern auch die Ursachen der unsicheren Ernährungslage bekämpft werden. Die betroffenen Gemeinschaften benötigen sofortige und nachhaltige Unterstützung, um mit den Auswirkungen des vor allem durch die jahrhundertelange ausbeuterische Lebensweise des Globalen Nordens gemachten Klimawandels umgehen zu können.  

Aktion gegen den Hunger leistet bereits lebenswichtige Unterstützung für die von der Krise in Somalia und anderen Ländern weltweit betroffenen Familien, einschließlich Nahrungsmittelsoforthilfe, Zugang zu sicherem Wasser und sanitären Einrichtungen sowie wichtige Gesundheitsdienste. Darüber hinaus setzt die Organisation langfristige Lösungen um, die die Widerstandsfähigkeit stärken und die Anfälligkeit für künftige Katastrophen verringern.  

Das Ausmaß und die Komplexität der Krise in Somalia erfordern jedoch eine gemeinsame Anstrengung aller humanitären Partner und politischen Geber, um sicherzustellen, dass Familien wie die von Faadumo und Ifrah die Unterstützung erhalten, die sie zum Überleben und Gedeihen brauchen. 

1. JUNI 2023
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