Loko aus Äthiopien steht mit ihrem Baby im Arm auf dem durch Dürre zerstörten Maisfeld.

Hunger Hotspots: Wie Krisen, Klima, Pandemie und Preise Menschenleben bedrohen 

In diesen Ländern werden die Menschen im Jahr 2022 kaum etwas zu Essen haben

Was ist eigentlich Ernährungsunsicherheit? Der Begriff beschreibt – ganz grob gesagt – die Situation, nicht zu wissen, ob und was man am nächsten Tag an Nahrung zur Verfügung hat. Menschen, die von Ernährungsunsicherheit betroffen sind, können nicht einfach den Kühlschrank aufmachen und sich etwas kochen. Sie können auch nicht in den nächsten Supermarkt gehen und sich Brot, Obst und Co kaufen. Ob am nächsten Tag etwas zu Essen den Hunger stillen kann, ist ungewiss. 

So wird es im Jahr 2022 voraussichtlich hunderten Millionen Menschen weltweit gehen. Betroffen sind vor allem Länder des globalen Südens, in denen Klima-Extreme Ernten ausfallen lassen sowie Konflikte Import erschweren und Menschen vertreiben. Die Folge: Die Preise für Nahrungsmittel steigen horrend an.  

Das World Food Programme (WFP) hat zusammen mit der FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations) allein für Februar bis Mai 2022 insgesamt 20 Länder identifiziert, die in diesem Zeitraum besonders stark von Ernährungsunsicherheit betroffen sein werden. Sogenannte Hunger Hotspots. Fatal: Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine sind hier noch gar nicht miteinberechnet.

Diese Länder sind besonders betroffen 

Besonders hart wird es Äthiopien, Nigeria, den Südsudan und den Jemen treffen – erneut. Diese vier Länder stehen bereits länger ganz oben auf der Liste der Hunger Hotspots. Ebenfalls kritisch ist die Lage in Afghanistan.

In allen Ländern gibt es Regionen, in denen Menschen entweder schon jetzt oder in naher Zukunft kurz vor dem Verhungern stehen. Die IPC-Klassifikation – die IPC ist die internationale fünfstufige Krisenskala – liegt hier in Phase 5. Das bedeutet: Diese Länder sind von Hungersnot bedroht und die akute Unterernährung wird als extrem kritisch angesehen.  

Jetzt spenden

Hunger Hotspots am Horn von Afrika

Mit dem Klick auf Akzeptieren stimmen Sie zu, dass Ihre Daten an YouTube übermittelt werden und Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen haben.

Konflikte und Klimakrise treiben den Hunger 

Die Gründe für Hunger sind vielfältig. Zwei Hauptgründe aber lassen sich als Wurzel beschreiben: Durch Konflikte hervorgerufene Hungerkrisen werden in Myanmar, der Zentralafrikanischen Republik, der Demokratischen Republik Kongo, der zentralen Sahelzone – Burkina Faso, Tschad, Mali, Mauretanien und Niger –, im Sudan und Südsudan, in Somalia sowie den nördlichen Teilen Äthiopiens, Nigerias und Mozambiques erwartet. Der Konflikt in der Ukraine wird die Ernährungslage in vielen dieser Länder zusätzlich drastisch verschärfen. Ein Großteil der Länder am Horn von Afrika etwa importiert viel Getreide und Öl, insbesondere Weizen aus der Ukraine und Russland. Durch den Krieg werden viele Tonnen an Nahrungsmitteln fehlen.

Doch auch der Einfluss von klimatischen Extremen treibt die Ernährungsunsicherheit vielerorts hoch. Längst ist der Klimawandel bittere tägliche Realität für Menschen rund um den Globus. Sichtbar werden die Auswirkungen besonders stark in Ostafrika. Dort steht die dritte Dürre in Folge an. Millionen Menschen sind auf der Suche nach Wasser. In Somalia fliehen hundertausende Familien vor der seit Jahren anhaltenden Trockenheit, die Situation in Geflüchtetencamps ist prekär. Auch vor Haiti, Mozambique sowie dem Westen Afghanistans führen Klimaextreme zu großem Leid. In Madagaskar gehört die Klimakrise erschreckenderweise zum Alltag. Das Land ist 2022 bereits von mehreren Zyklonen getroffen worden.

Genannt werden außerdem Syrien, der Libanon, Kenia, Angola, Honduras und Kolumbien, wo vor allem Migranten aus Venezuela betroffen sind.  

Ökonomische Herausforderungen während und nach der Corona-Pandemie verschlechtern die Lage zusätzlich und treiben die Nahrungsmittelpreise – die seit Mai 2020 weltweit fast kontinuierlich steigen – weiter in die Höhe. Laut UN-Welternährungsprogramm sind aktuell 45 Millionen Menschen allein infolge der Pandemie akut von Hungersnot bedroht.

Eine Frau aus Äthiopien muss kilometerweit zur Wasserstelle laufen, um ihre Familie zu versorgen.
Icon

In Äthiopien herrscht katastrophale Dürre: Menschen müssen Wasser aus kilometerweit entfernten Wasserstellen holen. Ihre Dörfer haben keinen Zugang zu Trinkwasser.

Äthiopien 

Für Äthiopien gibt es derzeit viel zu wenige Daten. Doch laut Bericht wird davon ausgegangen, dass die akute Ernährungsunsicherheit weiter angestiegen ist und stellenweise bereits die IPC-Phase 5 – die höchste Stufe – erreicht wurde.

401.000 Menschen waren allein in der Region Tigray in Äthiopien zwischen Juli und September 2021 von hungersnotähnlichen Zuständen betroffen. Seitdem hat sich die Lage zunehmend verschlechtert. Grund dafür ist vor allem der Konflikt in der Region, der Versorgungswege abschneidet und den Zugang zu humanitärer Hilfe erschwert. Wie die Lage derzeit aussieht, ist unbekannt. Das Worst Case Szenario besagt: Hält der Konflikt in der Region weiter an, steigt auch das Risiko für eine Hungersnot. 

Nigeria 

In Nigeria läuft ein Teil der Bevölkerung in den vom Konflikt betroffenen Gebieten im Nordosten Gefahr, in eine katastrophale Ernährungsunsicherheit zu rutschen, insbesondere während der Trockensaison ab Juni 2022. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass manche Teile schon früher betroffen sein werden und dass die Zustände noch schlimmer ausfallen werden als bisher vermutet.  

Eine Frau aus dem Südsudan steht in den Fluten und trägt ihr kleines Kind in einer grünen Wanne über dem Kopf
Icon

Die Überschwemmungen im Südsudan stellen Familien vor große Herausforderungen.

Südsudan 

Im Südsudan ist die Ernährungsunsicherheit bereits enorm hoch – und sie wird sich wohl weiter verschärfen. Nach den letzten IPC-Vorhersagen dürfte sich die Lage weiter verschlechtert haben – Tendenz steigend. Erste Ergebnisse umfassender regionaler Analysen im November 2021 zeigen, dass 11 Gebiete in 2022 einer extremen Ernährungsunsicherheit gegenüberstehen. Im Jahr 2021 waren es noch 6. Ende des Jahres waren rund 800.000 Menschen im Südsudan von schweren Überschwemmungen betroffen

Jemen 

Die letzte IPC-Analyse aus dem Jemen liegt schon länger zurück: Dezember 2020. Schon vor über einem Jahr zeigten die Vorhersagen katastrophale Level von Ernährungsunsicherheit in drei Distrikten und sich verschlechternden Notfallleveln in anderen Gebieten bis Juni 2021. Im Juli desselben Jahres wurde die humanitäre Hilfe hochgeschraubt, die Ernährungsunsicherheit konnte stellenweise stabilisiert werden. In der zweiten Jahreshälfte 2021 jedoch hat sich die Lage im Land wieder zunehmend verschlechtert. Rund um die Stadt Ma’rib werden die Kämpfe aber voraussichtlich weiter zunehmen und sich ausbreiten. Noch mehr Menschen werden zur Flucht gezwungen sein – zusätzlich zu den derzeit bereits rund 4 Millionen. Seit Ende 2021 sind die Lebensmittelpreise stark angezogen.  

Afghanistan 

In Afghanistan wird voraussichtlich ein trauriger Rekord gebrochen: Nie zuvor waren so viele Menschen von kritischer Ernährungsunsicherheit betroffen. Das Risiko, dass große Teile der Bevölkerung kurz vor dem Hungertod stehen, wird im Bericht in IPC-Phase 5 eingestuft, sollte sich die Krise im Land nicht lösen. Zusätzlich erschweren Wetterextreme das Leben im Land enorm: Während die Bergregionen von starken Schneefällen betroffen sind, die manche Gegenden unerreichbar machen, fehlt vielerorts der Regen. Die anhaltende Trockenheit macht es den Menschen, insbesondere jenen auf der Flucht, schwer, selbst Nahrungsmittel anzubauen oder ihr Vieh zu versorgen. Der Einkauf von Lebensmitteln ist für viele Familien aufgrund der gestiegenen Preise keine Option. 

Jetzt helfen

Ukraine-Konflikt verschärft die Lage zusätzlich

Nun kommt noch der Konflikt in der Ukraine hinzu. "Es gibt jetzt schon ein großes Defizit an Nahrungsmitteln", sagt Hajir Maalim, Regionalleiter bei Aktion gegen den Hunger am Horn von Afrika und Ostafrika. "Selbst wenn Nahrung vorhanden ist, können die meisten Leute sie sich nicht leisten, weil die Preise seit Kriegsbeginn rapide in die Höhe geschnellt sind – teilweise ist der Mehlpreis um 50 Prozent gestiegen. Sollten alle Agrarerträge aus der Ukraine wegfallen, könnten bis zu 100 Millionen Menschen mehr in die Ernährungsunsicherheit rutschen.

Die Menschen brauchen jetzt Unterstützung

Ohne humanitäre Hilfe stehen Menschen in vielen Regionen weltweit am Abgrund. Aktion gegen den Hunger ist in über 50 Ländern weltweit im Einsatz und unterstützt die Menschen in Äthiopien, im Südsudan, Nigeria, im Jemen, in Afghanistan und vielen anderen Gegenden in diesen schweren Zeiten. Mit Bäuerinnen und Bauern etwa arbeiten wir an Dürre-resistenten Anbaumethoden und unterstützen Familien mit Nahrung und Bargeld, damit sie sich selbst versorgen können. Wir diagnostizieren und behandeln mangelernährte Kinder, Frauen und Männer und helfen ihnen, wieder zu Kräften zu kommen.

Helfen Sie uns dabei, die Hunger Hotspots auszumerzen und den Menschen eine Zukunft zu schenken? Gemeinsam können wir Menschen vor der Hungersnot schützen.

Jetzt spenden und ein Zeichen gegen den Hunger setzen!
9. JUNI 2022
NEWSLETTER ABONNIEREN

Abonnieren Sie jetzt unseren E-Mail-Newsletter und erhalten Sie regelmäßig und kostenlos Informationen aus erster Hand!