Beba Pre Milch: Drei Produkte werden auf der Website von Nestlé Beba vorgestellt

„Have you chosen the best yet?” – so wirkt Werbung für Babymilch

Was ist denn so schlimm an Werbung für Babymilch, könnte man sich fragen. Werbung gehört für uns heutzutage zum Alltag und ist überall präsent: an Bushaltestellen, in der Fußgängerzone, auf dem Smartphone. Werbung beeinflusst unbewusst unsere Gesprächsthemen, unsere Meinungen und unsere Konsumentscheidungen. Doch bei Produkten für kleine Kinder kann das sehr problematisch sein – besonders bei der Vermarktung von künstlicher Babymilch.  

Denn es ist wissenschaftlich eindeutig belegt: Muttermilch ist die gesündeste und sicherste Nahrung für Säuglinge. Sie ist nährstoffreich, sauber, immer verfügbar und stärkt das Immunsystem der Babys. Wenn nun Werbung für künstliche Babynahrung den Eltern suggeriert, sie sei eine bessere Alternative zu Muttermilch, kann das gefährlich werden. Denn das kann Mütter in ihrer Entscheidung, ob sie stillen wollen oder nicht, stark beeinflussen. Kann die Babymilch nicht sicher zubereitet werden, wird das sogar lebensgefährlich. Natürlich sollten Muttermilchersatzprodukte für alle Eltern zur Verfügung stehen, die sie brauchen – sie sollten jedoch nicht beworben werden.  

Werbung für Babymilch: Digital, personalisiert & hinter verschlossenen Türen 

Ein Großteil der Werbung passiert heutzutage digital. Facebook-Ads und Co. bieten eine kosteneffiziente Möglichkeit, Zielgruppen besonders genau anzusprechen. Auch über Eltern-Apps, digitale Baby-Clubs und mithilfe von Influencer*innen werden junge Mütter gezielt mit Marketing erreicht. Eine solche personalisierte Ansprache kann einen starken Einfluss haben und ist nicht immer als Werbung erkennbar. Sie ist dadurch viel schwieriger zu kontrollieren als großflächige Plakatwände.  

Darüber hinaus findet viel Marketing hinter verschlossenen Türen statt. Konzerne wie Nestlé finanzieren Fachtagungen und Forschungsprojekte, sind mit Info-Ständen und Werbegeschenken auf Medizinerkongressen präsent und übernehmen das Sponsoring für Fortbildungen für Hebammen und Kinderärzt*innen.  

So wirken Werbebotschaften irreführend und subtil auf Eltern 

In rund drei Viertel aller Staaten weltweit ist Werbung für Babymilch heutzutage zumindest einigen Regeln unterworfen. Daher werben Unternehmen wie Nestlé nicht mehr ganz so offensiv für ihr Milchpulver wie früher. Die meisten Werbebotschaften sind sehr subtil formuliert und bewegen sich genau an der Grenze des legal Sagbaren. Mit irreführenden Slogans („nur unser Bestes für Ihr Kind“) oder falschen Gesundheitsversprechungen („stärkt das Immunsystem Ihrer Kleinen!“) werden Eltern in ihrer Haltung zu Säuglingsnahrung beeinflusst.

Schauen wir uns zum Beispiel den Slogan „Have You Chosen the Best Yet?” an, den Nestlé in Pakistan zusammen mit dem Bild einer strahlenden Mutter mit einer Milchpulverpackung ausgespielt hat. Sieht eine völlig gestresste und übernächtigte Mutter mit kleinem Säugling diesen Post in ihrer Timeline, kann das zu großer Verunsicherung führen. („Würde es meinem Baby mit dieser Babymilch besser gehen?“, „Würde es vielleicht sogar durchschlafen?“, „Wäre ich eine entspanntere und bessere Mutter?“) In der ersten sensiblen Phase sind Eltern sehr empfänglich für psychologische Beeinflussung, sie haben viele Fragen, Sorgen und Ängste. Diese Ängste darf Marketing nicht ausnutzen: Denn die gestellte Frage ist rhetorischer Natur und suggeriert eine falsche Tatsache. Nämlich, dass die beworbene künstliche Babynahrung tatsächlich „das Beste“ für ein Baby sein könnte. Und das ist erwiesenermaßen falsch. 
 
Ein anderer Werbe-Kniff ist, spezielle Sorten Milchpulver als Heilmittel gegen bestimmte Beschwerden anzupreisen, die bei fast allen Säuglingen auftreten – beispielsweise Blähungen und Bauchschmerzen. „90 Prozent der Eltern, die zu ‚Good Start Soothe‘ wechselten, berichteten, dass ihr Baby danach weniger unruhig war“, bewirbt Nestlé in Kanada eine solche Spezialmilch. Der Fußnote ist allerdings zu entnehmen, dass es sich bei dieser Erhebung nur um mit Babynahrung ernährte Kinder handelt. Denn auch bei Verdauungsbeschwerden von kleinen Babys in den ersten Monaten ist die klare Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), zu stillen, wenn es möglich ist. Werbung wie diese verunsichert jedoch Eltern und suggeriert, man müsse das Produkt ausprobieren, um dem leidenden Baby zu helfen – selbst dann, wenn man eigentlich stillen könnte und möchte. 

Nestlé – deine beste Freundin und Beraterin 

Eine weitere Strategie der Babynahrungs-Hersteller ist es, jenseits von bestimmten Produktpaletten ein allgemeines positives Image aufzubauen. Hersteller wie Nestlé machen also stärker Werbung für ihre Marke als für bestimmte Produkte. So können Vorschriften wie der Milchkodex geschickt umgangen werden. 
 
Die Unternehmen stellen sich mit ihrem Marketing als verständnisvolle, empathische und professionelle Berater*innen für junge Mütter dar. Mit zielgruppengenauen Social Media Posts werden Themen und Fragen direkt aufgegriffen und eine emotionale Nähe suggeriert („Schläft euer Baby auch so schlecht? Teilt hier eure Fragen und Kommentare“). Mit sogenannten Babyclubs und Beratungshotlines begeben sich die Unternehmen in die Rolle einer neutralen Beratungsstelle – ohne wirklich unabhängig zu sein. Selbst wenn bei solchen Beratungsstellen erst einmal das Stillen empfohlen wird – durch die positive Erfahrung bei der Nestlé-Hotline wird eine Mutter, die Milchpulver ausprobieren möchte, zuallererst zum Nestlé-Produkt greifen.  

Cross-Branding – so umgeht Nestlé gekonnt WHO-Vorschriften 

Seit Januar 2023 hat Nestlé seine Unternehmens-Policy verschärft und versprochen, Werbung für Säuglingsnahrung für Babys unter 6 Monaten komplett einzustellen. Auch andere große Unternehmen verzichten inzwischen auf Werbung für die Jüngsten. Was erst einmal wie ein großer Schritt in die richtige Richtung wirkt, ist in Wirklichkeit eine Werbestrategie an sich. Nestlé präsentiert sich als ethisches Unternehmen, das die Regeln des WHO-Kodes respektiert und wirbt gleichzeitig dank Cross-Branding trotzdem offensiv für Milchpulver. 

Wie funktioniert das? Das Design der Produktreihen ist für die verschiedenen Altersstufen sehr ähnlich (sogenanntes Cross-Branding). So können die in der Werbung abgebildeten Dosen mit Folgemilch auch leicht für Anfangsmilch gehalten werden. Gleichzeitig fallen oft die Wörter „Baby“, „Mutter“ und „junge Eltern“. So fühlen sich auch frischgebackene Eltern von der Werbung angesprochen – wie von Nestlé und Co. kalkuliert. Um das zu verhindern, verbietet der Milchkodex explizit Werbung für Muttermilchersatzprodukte bis zu drei Jahren.

Werbung wirkt – weltweit 

Eine internationale Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und UNICEF belegt, wie wirkungsvoll und flächendeckend Babymilch-Werbung auf der ganzen Welt Mütter vom Stillen abhält. Über die Hälfte der befragten Frauen gab an, im Befragungszeitraum mit Babymilch-Werbung in Kontakt gekommen zu sein. Die Daten zeigen, dass junge Mütter, die regelmäßig mit Werbung in Kontakt gekommen sind, bei Stillproblemen schneller auf künstliche Flaschennahrung zurückgreifen. 

 

Text: 51 Prozent

51 Prozent der befragten Schwangeren und jungen Müttern waren bereits mit Babymilch-Werbung in Kontakt gekommen.

Text: 60 Prozent

60 Prozent der befragten jungen Mütter in Bangladesch bekamen von Gesundheitspersonal Babymilch empfohlen. In Nigeria waren es 45 Prozent. 

Text: 3x mehr Aufrufe

Posts, die ein Babymilch-Produkt oder eine Babymilch-Marke erwähnen, gehen viral. Sie erreichen durchschnittlich dreimal so viele Menschen wie Posts, die über das Stillen informieren.

Werbung ist keine Aufklärung 

Babynahrungs-Hersteller argumentieren oft, ihre Werbung für Babynahrung sei wichtig, damit Mütter nicht Wasser, Ziegenmilch oder sogar festes Essen an ihre Säuglinge verfüttern. Aber Achtung: Werbung ist nicht zu verwechseln mit Aufklärung! Natürlich brauchen Eltern unabhängige und fundierte Informationen über das Stillen und über eine ausgewogene und altersgerechte Ernährung für Kinder. Das kann Werbung jedoch nicht leisten, denn sie bewirbt ja immer nur einseitig ein einzelnes Produkt. Das ist die Aufgabe von Hebammen, Krankenschwestern, Ärzt*innen und staatlichen Aufklärungskampagnen. Die unabhängige Beratung für stillende Mütter muss weltweit ausgebaut werden, damit alle Eltern einen ausreichenden Zugang zu dem Wissen haben, wie sie ihre Kinder gut ernähren können. Auch Aktion gegen den Hunger bietet weltweit Still- und Gesundheitsberatung für Mütter und junge Eltern an. 

17. JANUAR 2023
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