Kinder und Familien fliehen inmitten der Kämpfe in Khartum, Sudan, aus ihren Stadtvierteln.

Sudan: Eskalierender Konflikt droht, noch mehr Menschen in den Hunger zu treiben

Nothilfe
Eskalierende Gewalt im Sudan
Die aktuellen Kämpfe im Sudan sind dramatisch. Die Menschen fliehen vor der Gewalt und Zivilist*innen und humanitäre Helfer*innen werden angegriffen. Die Versorgungslage ist extrem angespannt. Schon vor dem Ausbruch der Kämpfe benötigten im Sudan rund 15 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Wir beobachten die Situation und sind auch weiterhin vor Ort, um Hilfe zu leisten. Der Schutz unserer Mitarbeitenden hat dabei oberste Priorität.

Seit dem 15. April 2023 erschüttern schwere Kämpfe den Sudan. In der Folge kommt es zu massiven Versorgungsengpässen; Trinkwasser, Lebensmittel, Medikamente und Treibstoff werden knapp. Wichtige Infrastruktur wurde zerstört oder beschädigt. Viele Gesundheitseinrichtungen sind nicht oder nur eingeschränkt in Betrieb. Von den 79 wichtigen Krankenhäusern in der Hauptstadt Khartum und in den anderen Bundesstaaten sind 55 nicht betriebsbereit. Die Verfügbarkeit von Medikamenten beschränkt sich auf die vorrätigen Bestände, da keine Nachschublieferungen möglich sind. Aufgrund der anhaltenden Gefechte sind alle Flughäfen im Land geschlossen. Zudem gibt es nur eingeschränkten Zugang zu Kommunikation und Strom. Die Lebensmittelpreise haben sich seit dem Ausbruch der Kämpfe verdoppelt. Zudem wird der Personen- und Warenverkehr zunehmend eingeschränkt, was den Zugang zu Nahrungsmitteln und Wasser noch schwieriger macht. Das Welternährungsprogramm warnt, dass die Kämpfe im Sudan weitere Millionen Menschen in den Hunger stürzen könnten.

Gewalt im Sudan gefährdet Mitarbeitende von Hilfsorganisationen und die Zivilbevölkerung

Aktion gegen den Hunger ist seit 2017 im Sudan tätig, um dringende Hilfe in den Bereichen Nahrungsmittel und Ernährungssicherheit zu leisten und auf Notfälle zu reagieren. Die Kämpfe konzentrieren sich zwar weiterhin auf einige zentrale Wohngebiete in Khartum, jedoch wird auch von Gefechten in Städten und Ortschaften im ganzen Land berichtet. Im Südosten des Sudan ist die Lage zwar ruhig, berichtet El Fateh Edis Edris Eisa, Leiter der Basis von Aktion gegen den Hunger im Bundesstaat Blauer Nil: „Aber die Menschen haben Angst vor den Ereignissen in Khartum. Sie wissen nicht, was als Nächstes passieren wird.“ Diplomatische Einrichtungen und internationale Nichtregierungsorganisationen wurden angegriffen. Willkürlicher Beschuss und verirrte Kugeln stellen eine unmittelbare Gefahr für die Zivilbevölkerung in den betroffenen Gebieten dar. Aus Angst um ihr Leben bleiben Millionen von Menschen in ihren Häusern.

Hunderte Menschen sind bis Ende April bereits getötet und Tausende verletzt worden. Viele sind zu Fuß auf der Flucht vor der Gewalt. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden fast 4.000 Menschen registriert, die aus dem Sudan in den Südsudan ziehen, und fast 20.000 Menschen, die in den Tschad wandern, wo bereits mehr als 400.000 sudanesische Flüchtlinge leben. Das UN-Flüchtlingshilfswerk schätzt, dass die Gesamtzahl der Flüchtlinge, die aus dem Sudan in den Südsudan oder den Tschad fliehen, auf 270.000 Menschen ansteigen könnte – und diese Zahlen berücksichtigen nicht die zusätzlichen Flüchtlinge, die in andere Länder fliehen.

Ein Mitarbeiter von Aktion gegen den Hunger steht neben einer Hilfsgüterlieferung in einem Geflüchtetencamp im Tschad.
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Im Tschad leben bereits über 400.000 Menschen aus dem Sudan. Nach Ausbruch der Kämpfe sind weitere 20.000 hierher geflohen. Derzeit sind die Grenzen geschlossen, aber unsere Teams im Tschad sowie auch im Südsudan unterstützen Geflüchtete mit Essen und Trinken sowie anderen Hilfsgütern und sprechen mit ihnen über ihre Erlebnisse und ihre Situation.

Es gibt auch Menschen, die vor der Gewalt fliehen, aber im Sudan bleiben – aktuell beläuft sich die offizielle Zahl auf 700.000. Nach Angaben des Leiters der Basis von Aktion gegen den Hunger im Staat Weißer Nil: „Tausende von Menschen kommen aus Khartoum. Einige suchen Zuflucht in Schulen und Moscheen.“

Die sudanesische Bevölkerung hilft denjenigen, die aus den Konfliktherden fliehen. „Auf unserem Weg von Khartum nach Gedared sahen wir viele Dorfbewohner, die den Menschen, die Khartum verlassen, Wasser und Lebensmittel anboten. Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist erstaunlich. Ich hoffe, dass wir wieder auf die Beine kommen, damit wir weiter helfen und zusammenarbeiten können“, sagte ein internationaler humanitärer Helfer, der aus dem Sudan evakuiert wurde und dessen Identität aus Sicherheitsgründen nicht bekannt gegeben wird.

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Konflikte und Klimaschocks: Hauptursachen für Nahrungsmittelunsicherheit

Nach Angaben der Weltgsundsheitsorganisation WHO wurde die Behandlung von schätzungsweise 50.000 akut unterernährten Kindern im Sudan aufgrund des Konflikts unterbrochen. Die meisten von Nahrungsmittelunsicherheit betroffenen Menschen sowie 75 Prozent aller chronisch unterernährten Kinder unter fünf Jahren leben in Ländern, die von bewaffneten Konflikten und Gewalt betroffen sind. Konflikte sind nach wie vor die Hauptursache für die weltweite Nahrungsmittelunsicherheit.  

Hinzu kommen Trockenperioden, Überschwemmungen und Krankheitsausbrüche. Anhaltende Dürren, unregelmäßige Regenfälle und anschließende Ernteausfälle haben zu einer Verschlechterung der Nahrungsmittelunsicherheit geführt. Im Jahr 2021, als die sudanesischen Streitkräfte einen Militärputsch starteten, lag die Nahrungsmittelunsicherheit in einigen Staaten des Landes bei 65 Prozent in West-Darfur, 59 Prozent in Zentral-Darfur und 56 Prozent in Nord-Darfur. Die Raten der Mangelernährung nahmen im gesamten Sudan in besorgniserregendem Maße zu, insbesondere bei Kindern, von denen laut UNICEF jährlich etwa drei Millionen unter fünf Jahren an Unterernährung leiden.

Wie kam es zur Eskalation der Gewalt? 

Nachdem die Verhandlungen über die Ausarbeitung eines Übergangsrahmens für eine zivile Regierung ins Stocken geraten waren, entbrannte der Konflikt zwischen dem sudanischen Militär und einer paramilitärischen Gruppe, der sogenannten Rapid Support Forces (RSF), am 15. April 2023. Nach monatelangen Verhandlungen unterzeichneten die militärische und die zivile Führung des Sudan im Dezember 2022 ein vorläufiges Abkommen zur Beendigung der Militärregierung, die das Land seit Oktober 2021 regiert. Eine endgültige Vereinbarung sollte Anfang April 2023, am vierten Jahrestag des Sturzes des langjährigen Autokraten Omar al-Bashir durch einen Volksaufstand, unterzeichnet werden. Sowohl die sudanesischen Streitkräfte (SAF) als auch die RSF mussten im Rahmen des Plans ihre Macht abgeben.

Dabei erwiesen sich zwei Punkte als besonders strittig: zum einen der Zeitplan für die Eingliederung der RSF in die regulären Streitkräfte und zum anderen der Zeitpunkt, zu dem die Armee formell unter zivile Aufsicht gestellt werden sollte. Beide Konfliktparteien beschuldigten die jeweils andere Seite, die Gewalt provoziert zu haben. Die sudanesische Armee beschuldigte die RSF der illegalen Mobilisierung in den vorangegangenen Tagen, und die RSF behauptete, die Armee habe versucht, die Macht in einem Komplott mit Bashir zu übernehmen, als sie auf wichtige strategische Punkte in Khartum vorrückte.
 
Am 25. April wurde unter Vermittlung der Vereinigten Staaten und Saudi-Arabiens ein 72-stündiger Waffenstillstand zwischen den Konfliktparteien vereinbart. Mitarbeitende von „Aktion gegen den Hunger“ in Khartum berichten jedoch, dass „die Waffenruhe am ersten Tag eingehalten wurde, aber jetzt gehen die Kämpfe weiter. Es gibt heftige Schießereien und Luftangriffe.“

Aufforderung zum schnellen Handeln

Aktion gegen den Hunger fordert die Konfliktparteien auf, die folgenden Maßnahmen zu ergreifen:

  • Wir fordern die Sudanese Armed Forces (SAF) und die schnellen Eingreiftruppen (RSF) auf, den Schutz der Zivilbevölkerung zu gewährleisten, und begrüßen die laufenden regionalen und internationalen Bemühungen um eine kurzfristige und dauerhafte Einstellung der Feindseligkeiten sowie die Suche nach einer dauerhaften, langfristigen Lösung. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass beide Seiten die Auswirkungen der Gewalt auf die Zivilbevölkerung vermeiden, indem sie vor allem den Zugang zu humanitärer Hilfe ermöglichen.
  • Wir fordern beide Seiten dringend auf, alle möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um Schaden für die Zivilbevölkerung, zivile Einrichtungen und humanitäre Helfer zu vermeiden. Der humanitäre Raum muss erhalten bleiben, um sichere und rechtzeitige Reaktionen zu ermöglichen. Wir bedauern die jüngste Ermordung von Mitarbeitern humanitärer Organisationen in Darfur sowie die Angriffe auf wichtige zivile Infrastrukturen wie Gesundheitseinrichtungen. Wichtig ist auch der Schutz kritischer Infrastrukturen wie der Wasser-, Telekommunikations- und Stromversorgung. Das reibungslose Funktionieren der Märkte ist von entscheidender Bedeutung, damit die Menschen ihre Grundbedürfnisse befriedigen und die steigenden Lebensmittelpreise bewältigen können.
  • Wir begrüßen die jüngste, wenn auch unterbrochene Einstellung der Feindseligkeiten und fordern alle Konfliktparteien auf, humanitäre Korridore/Pausen oder die Einstellung der Feindseligkeiten aufrechtzuerhalten, damit die Zivilbevölkerung Sicherheit findet oder Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen sowie zu wichtiger humanitärer Hilfe erhält. Wir fordern beide Parteien auf, den humanitären Organisationen freien und ungehinderten Zugang zu gewähren, damit sie den Bedarf der Bevölkerung ermitteln, die Vorräte aufstocken und die Hilfe rasch und wirksam leisten können.
  • Wir fordern die internationale Gemeinschaft auf, die humanitären Auswirkungen aller politischen Maßnahmen zu berücksichtigen, die gegenüber den Konfliktparteien ergriffen werden. Wenn beispielsweise internationale oder regionale Sanktionen verhängt werden, muss unbedingt sichergestellt werden, dass humanitäre Maßnahmen und Akteure davon ausgenommen werden, um zu gewährleisten, dass die rasche und wirksame Bereitstellung humanitärer Hilfe nicht beeinträchtigt wird.
  • Wir erinnern die internationale Gemeinschaft auch daran, dass sich der Sudan vor der aktuellen Krise in einer katastrophalen humanitären Lage befand, in der 15,8 Millionen Menschen lebten, von denen 30 % im Jahr 2023 humanitäre Hilfe benötigen würden. Es wurden jedoch nur 14 % der für die humanitäre Hilfe benötigten Mittel bereitgestellt. Wir sind zutiefst besorgt, dass diese Gewalt zu einer raschen und dramatischen Verschlechterung der humanitären Lage führen könnte, und fordern die internationalen Akteure dringend auf, diesen Bedarf vorherzusehen und rasch die erforderlichen Ressourcen zu mobilisieren, um Leben zu retten und die betroffenen Gemeinschaften zu schützen.

Nothilfe in Krisensituationen – auch im Sudan

Für die Menschen im Sudan ist die Lage dramatisch und die ohnehin angespannte Situation spitzt sich weiter zu. Bereits vor der Gewalteskalation benötigten im Sudan mehr als 15 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Wir beobachten die Entwicklungen mit großer Sorge. Unsere Teams in den insgesamt elf Standorten im Sudan setzen alles daran, der Bevölkerung weiterhin Hilfe zu leisten, wenn es die Sicherheitslage zulässt. Es ist nun entscheidend, dass wir unsere Nothilfe sicher fortsetzen und die Menschen erreichen können. Wir fordern: Die zivile Bevölkerung darf nicht unter den Kämpfen leiden und muss geschützt werden! 

In Situationen wie dieser kommt es auf schnelles Handeln an. Wir als humanitäre Hilfsorganisation sind auf Nothilfe in Krisensituationen spezialisiert:  

  • Wir verteilen Nahrungsmittel und versorgen Menschen mit sauberem Trinkwasser 

  • Flüchtende versorgen wir mit Waren des täglichen Bedarfs und geben ihnen einen Unterschlupf. 

  • Wir stellen Latrinen auf und verteilen Hygienepakete. 

Unterstützen Sie jetzt unsere Arbeit in 51 Ländern weltweit – auch im Sudan. 

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9. MAI 2023
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