Wäre es nicht schön, wenn alle Menschen auf der Welt genug zu Essen hätten und die dafür benötigten Nahrungsmittel so produziert würden, dass unsere Lebensgrundlage – die Erde – dabei geschont wird? Eine Utopie? Nicht unbedingt, denn es gibt einen Ansatz, der dies alles zusammenfasst: die Agrarökologie. Was versteht man darunter, was ist der Unterschied zur ökologischen Landwirtschaft und wie könnte die Weltgemeinschaft dieses System fair nutzen?
Statt industrieller Landwirtschaft: Warum brauchen wir die Agrarökologie?
Eigentlich gibt es mehr als genügend Nahrungsmittel, um alle Menschen weltweit gut zu ernähren. Sie sind nur enorm ungerecht verteilt – und ihre Produktion geht meist mit Ausbeutung von Mensch, Tier und Natur einher. Die industrielle Land- und Viehwirtschaft ist auf Profit getrimmt: Wie lässt sich mit Nahrungsmitteln möglichst viel Geld verdienen? Diese Frage allein zeigt schon: Im System der industriellen Landwirtschaft bzw. der Agrarindustrie profitieren wenige – während die Mehrheit, ob Mensch, ob Tier, ob Umwelt, darunter leidet.
Mit Massentierhaltung und Monokulturen lassen sich schnell große Profite erzielen. Doch die Kosten für Mensch und Umwelt dafür sind gigantisch. Für benötigte Futtermassen sowie für möglichst kostengünstige Transportwege werden ganze Landstriche entwaldet. Mit dem Anbau von Nutzpflanzen in Monokultur geht die für Böden, Mikroorganismen und Tierwelt nötige Biodiversität zurück. Die Verwendung von Düngern, Nutztierhaltung und Transport stoßen riesige Mengen Treibhausgase aus, darunter CO2 und Methan und Lachgas. Doch auch Menschen leiden: Vor allem im Globalen Süden werden Arbeitskräfte – darunter häufig auch Kinder – ausgebeutet, damit Produkte möglichst kostengünstig verarbeitet und in den Globalen Norden gebracht werden können (Verbesserungen in diesem Bereich verspricht das europäische Lieferkettengesetz).
Kleinbäuer*innen, die im Globalen Süden bis zu 80 Prozent der Nahrungsmittel produzieren, sind die Verlierer*innen in diesem System. Agrargiganten kaufen für ihren exportorientierten Anbau riesige Ackerflächen auf, die kleinen Betrieben für ihre lokale Produktion fehlt. Zudem können sie mit den Verkaufspreisen der Großunternehmen nicht konkurrieren und leben so häufig trotz ihrer wichtigen Rolle für die lokale Nahrungsmittelsicherung am Existenzminimum.
Kleinbauern und -bäuerinnen sind es, die den Großteil der Weltgemeinschaft ernähren. Doch sie werden von der Agrarindustrie immer weiter verdrängt. Wir setzen uns dafür ein, dass kleinbäuerliche Betriebe und Zusammenschlüsse weltweit wieder größere Chancen erhalten und sich Menschen besser selbst ernähren können.
Während die Wirtschaft profitiert, zeichnen sich die Folgen der Agrarindustrie immer stärker ab: ob in ausgelaugten Böden, Erosion, Insektensterben durch Pestizide, neuen und resistenten Krankheitserregern durch Massentierhaltung und nicht zuletzt im immer stärker voranschreitenden Klimawandel. Doch diese Folgen zeigen schon jetzt: Langfristig zerstören wir so unser aller Lebensgrundlage. Ein Umdenken muss her. Die Agrarökologie ist ein möglicher Ansatz.
Aber was ist Agrarökologie überhaupt?
Die Agrarökologie wird oft synonym mit dem sogenannten ökologischen Landbau bzw. der ökologischen Landwirtschaft genannt. Jedoch besteht hier ein gewisser Unterschied: Der ökologische Landbau oder kurz Ökolandbau rückt laut Definition der internationalen Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen (FOAM Organics International) ein Produktionssystem in den Vordergrund, das die Gesundheit von Böden, Ökosystemen und Menschen beachtet. Jegliche Prozesse sollen möglichst geschlossen sein und auf synthetische Dünger oder Pestizide wird verzichtet. Das Ziel: Gesundheit und Wohlergehen gegenwärtiger und zukünftiger Generationen und die Umwelt schützen.
Die Agrarökologie wiederum beschreibt vielmehr ein Modell, das eine Veränderung der Agrar- und Ernährungssysteme zum Ziel hat. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO ist die Agrarökologie ein dynamischer, transdisziplinärer Ansatz, in dem alle ökologischen, soziokulturellen, technologischen, wirtschaftlichen und politischen Dimensionen von Ernährungssystemen beachtet werden – von der Produktion bis zum letztendlichen Verzehr eines Lebensmittels. Dazu gehören etwa ressourcenschonende Produktionsweisen in der Landwirtschaft, die auch die Beschaffenheit von Land berücksichtigen und auf Artenvielfalt und Biodiversität zielen. Aber auch in der Gesellschaft spielt der Ansatz eine Rolle, indem ein Fokus auf Gerechtigkeit und Teilhabe gelegt wird. Das Ziel am Ende ist der Aufbau eines neuen globalen Ernährungssystems, das auf Fairness und Rücksicht gegenüber Land, Tieren und Menschen aufbaut. In der Bilderstrecke unten sind Beispiele agrarökologischer Methoden zu sehen.
Der agrarökologische Ansatz bedeutet zusammengefasst:
Eine Bewirtschaftung von Land, die Jahreszeiten und regionale geografische Besonderheiten respektiert
eine Landwirtschaft ohne chemische Zusätze
kurze lokale Produktionsketten
faire Löhne für Arbeitende und Schutz ihrer Rechte
ein harmonisches Zusammenspiel zwischen Pflanzen, Tieren und Böden
Förderung regionaler Ernährungssouveränität
Durch verminderte Treibhausgasemissionen trägt die Agrarökologie zudem zum Klimaschutz bei und ermöglicht durch flexible Anbaumethoden, dass wir uns besser an die Auswirkungen des Klimawandels anpassen.
Wie Aktion gegen den Hunger agrarökologische Ansätze unterstützt
Natürlich muss irgendwo begonnen werden – und das haben wir uns auf die Fahne geschrieben. Schon seit vielen Jahren testen wir Ansätze, die Menschen etwa in besonders trockenen oder stark überfluteten Gebieten einen Nutzen bringen können. Zusammengefasst:
- Wir initiieren regionale Saatgutbanken als Alternative zu patentiertem Saatgut.
- Wir unterstützen Kleinbäuer*innen bei der Weiterentwicklung schonender Anbaumethoden.
- Wir vergeben Bargeldhilfen, um Bäuer*innen bei der Anschaffung von Vieh und Geräten zu unterstützen.
- Wir schulen klimaresistentere Anbaumethoden.
- Wir legen Wasserzugänge für jahreszeitunabhängigen Anbau.
- Wir setzen uns politisch für die Repräsentanz von kleinbäuerlichen Betrieben ein.