Wenn Menschen flüchten müssen und in engen Zeltstädten zusammenleben, haben es Viren und Bakterien leicht, sich zu verbreiten. Für wen sie besonders gefährlich sind, was bei Krankheitsausbrüchen zu beachten ist und wie Aktion gegen den Hunger gefährdeten Menschen hilft
Krankheiten im Krieg gefährden bereits geschwächte Menschen
Krankheitsausbrüche gibt es aktuell in gleich mehreren Krisensituationen. Während die Menschen im Sudan mit der Durchfallerkrankung Cholera kämpfen, treten im Kongo und 15 weiteren Staaten Afrikas vermehrt die sogenannten MPox auf, eine Pockenform, die von Wildtieren auf den Menschen übergesprungen ist und sich dem neuen Wirt nun angepasst hat. In Gaza wiederum ist eine Krankheit zurück, die eigentlich seit 25 Jahren als ausgerottet galt: Poliomyelitis, kurz Polio, auch Kinderlähmung genannt, ist eigentlich mit einem Impfstoff vermeidbar – weil seit Oktober 2023 bis August 2024 kaum geimpft werden konnte, werden nun wieder neue Fälle registriert.
Kinder sind besonders bedroht
Im Kontext von Konflikten sind Krankheitsausbrüche besonders kritisch. Familien, die sich auf der Flucht befinden, haben meist zu wenig zu Essen oder kein sauberes Wasser und sind bereits geschwächt. Vor allem Kinder rutschen dabei schnell in eine Mangelernährung, die ihr Immunsystem schwächt.
Oft leben Familien auf der Flucht zudem in Zeltlagern, in denen sich die Krankheiten aufgrund des engen Kontakts zu erkrankten Mitmenschen und durch schlechte Hygienesituationen schnell ausbreiten können. Hinzu kommen mögliche Verletzungen durch Angriffe, die den Körper besonders schwächen. Wenn wie aktuell im Sudan Überflutungen die Situation erschweren, können sich Cholera-Bakterien (Vibrio cholerae) und andere Erreger im stehenden Wasser noch besser ausbreiten.
Überschwemmungen führen nicht selten zu Flucht. Das stehende Gewässer kann allerdings viele Gefahren bergen – etwa Bakterien wie Cholera.
Wie so oft sind Kinder, Schwangere und stillende Personen sowie ältere oder vorerkrankte Menschen die am meisten bedrohten Gruppen in solchen Notsituationen.
Drei Krankheiten müssen weltweit besonders beobachtet werden:
Polio: Kinderlähmung war eigentlich nahezu besiegt
Zehn Monate nach dem 7. Oktober 2023 ist der erste bestätigte Polio-Fall im Gazastreifen seit 25 Jahren aufgetreten. Ein zehn Monate altes Kind zeigt Anzeichen von Lähmung. Weitere Verdachtsfälle sowie der Fund des Virus in Abwasserproben lassen darauf schließen, dass sich sich die Krankheit Poliomyelitis wieder ausbreitet. Das ist fatal, denn in Gaza steht eine ganze Generation dieser Krankheit völlig ungeschützt gegenüber.
Eigentlich gibt es einen wirkungsvollen Impfschutz gegen Polio, der die Krankheit fast überall auf der Welt ausrotten konnte. Nimmt die Grundimmunisierung ab, kommt das Virus wieder.
Polio kann bei Kindern innerhalb weniger Stunden zu irreversiblen Lähmungen führen. Für die bereits mangelernährten Kinder im Gazastreifen ist das besonders gefährlich, da ihre geschwächten Körper dem Virus kaum etwas entgegenzusetzen haben.
Durch die Zerstörung der Wasser- und Abwasserinfrastruktur sowie die von der israelischen Regierung verhängten Beschränkungen für Lieferungen von Hilfsgütern und Reparaturen, hat das Virus im dichtbesiedelten Gazastreifen optimale Bedingungen, um sich zu verbreiten.
Cholera: die Gefahr aus dem Wasser
Die durch das Bakterium Vibrio cholerae, einer Art der Vibrionen, auftretende Durchfallerkrankung Cholera kann sich innerhalb kürzester Zeit über verseuchtes Wasser verbreiten. So tritt die Krankheit etwa auf, wenn es zu Überschwemmungen kommt, weil die Bakterien vor allem in stehendem Gewässer optimale Brutbedingungen vorfinden. Auch eine unterbrochene Abwasserentsorgung fördert ein Vermehren des Erregers.
Die Bakterien bilden ein Gift im Darm, das zu akutem, wässrigem Durchfall führt und auch Erbrechen hervorrufen kann. Das führt zu starkem Flüssigkeitsverlust, der besonders für geschwächte Menschen wie Kleinkinder und Ältere gefährlich ist. Gesunde Menschen, die sich anstecken, zeigen nicht immer Symptome, können die Krankheit aber weitergeben.
Eigentlich kann Cholera gut behandelt werden – in schweren Fällen etwa mit Infusionen oder oraler Gabe einer Salz-Zucker-Lösung bis hin zu Antibiotika. Für einen begrenzten Zeitraum kann auch eine Impfung schützen.
Schnelle Behandlung ist im Falle einer schweren Cholera-Infektion wichtig.
Wie so oft fehlt es in Konfliktgebieten, insbesondere im Globalen Süden, jedoch an Behandlungsmöglichkeiten: Wenn Krankenhäuser und Gesundheitsstationen zerstört sind und medizinisches Personal auf der Flucht ist, können nicht alle Erkrankten behandelt werden. Gesperrte Grenzübergänge verhindern oftmals die Versorgung mit medizinischem Material wie Infusionslösungen oder Impfstoffen.
MPox: hochansteckende Pockenform
Im Sommer 2024 kamen erste Berichte zu einer neuen Variante der MPox, zuvor irreführenderweise als Affenpocken bezeichnet, auf. Übertragen wird dieser Typus vor allem durch engen Hautkontakt, da es sich insbesondere im Sekret der dabei auftretenden Hautverletzungen befindet. Die Symptome beginnen meist mit Fieber, Gliederschmerzen und geschwollenen Lymphknoten, bis die namensgebenden Blasen und Pusteln an Gesicht, Händen und Füßen sichtbar werden.
Mpox dieser Variante treten zur Zeit des großen Ausbruchs 2024 vor allem in der Demokratischen Republik Kongo auf, doch auch in anderen afrikanischen Ländern, in Thailand oder Schweden gibt es gemeldete Fälle. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wegen des Ausbruchs den weltweiten Gesundheitsnotstand ausgerufen.
Gefährdet sind auch hier vor allem geschwächte Menschen, besonders Kleinkinder. Ihr Immunsystem ist oft noch nicht stark genug, um sich dem Virus entgegenzusetzen.
Gerade in Ländern im Globalen Süden, wie dem Kongo, ist die Situation schwierig. Nur etwa die Hälfte der Bevölkerung hat Zugang zu medizinischer Versorgung. Der WHO zufolge treten rund 70 Prozent der gemeldeten Fälle dort bei Kindern unter 15 Jahren auf, 39 Prozent der Betroffenen sind jünger als fünf Jahre.
Bereits 2022 kam es zu einem weltweiten Infektionsausbruch, damals mit dem Typ Klade 2b, der allerdings mildere Verläufe der Krankheit auslöst. Bei MPox, wie das Virus Orthopoxvirus simiae beziehungsweise die von ihm ausgehende Krankheit genannt wird, handelt es sich um eine Zoonose – also um einen Sprung eines Virus von Tieren auf den Menschen. Natürlicherweise kommt es in Nagetieren vor. Der aktuelle Typ „Klade 1“ hat sich jedoch offenbar im Menschen weiterentwickelt. Verwandt ist es mit den klassischen humanen Pockenviren (Variola-Virus, auch Smallpox genannt).
Wie lassen sich Krankheiten in Krisengebieten stoppen – und was macht Aktion gegen den Hunger?
Damit Krankheiten wie Cholera und Polio sich nicht weiter ausbreiten, ist bei Ausbrüchen der Zugang zu sauberem Trinkwasser und der Wiederaufbau von sanitären Einrichtungen entscheidend. In Krisengebieten muss allerdings schnell gehandelt werden. Unsere Teams von Aktion gegen den Hunger stellen unter anderem mobile Wassertanks mit Trinkwasser bereit, verteilen Wasserreinigungstabletten und unterstützen beim Bau von Latrinen oder Waschstationen. Außerdem desinfizieren wir im Fall von Krankheitsausbrüchen vor allem Latrinen und Sanitäreinrichtungen sowie Müllentsorgungsstellen, damit die größten Verbreitungsherde gesichert werden. Wichtig ist das vor allem in Notunterkünften oder Geflüchtetenlagern, denn hier sind die Hygienebedingungen aufgrund der vielen Menschen auf engstem Raum und der oft schlechten Versorgung meist prekär. Hier unterstützen unsere Teams dabei, Gemeinschaftslatrinen sauber zu halten und Abfälle aus Lagern sicher und umweltgerecht zu entsorgen.
Mit Schulungen zu Hygienemaßnahmen und Handwaschstationen unterstützen unsere Teams Menschen in von Krankheiten gefährdeten Gebieten dabei, sich zu schützen.
Was während der Coronavirus-Pandemie bereits wichtig war, hilft auch als Schutz gegen Cholera und andere ansteckende Krankheiten: Wir verteilen Seife und geben Kurse in Handhygiene. Dafür stellen wir Broschüren, Poster oder Flyer bereit, die über Gesundheitsthemen, Hygienepraktiken und den Schutz gegen Krankheiten informieren.
Damit sich MPox nicht weiter ausbreitet, ist es wichtig, erkrankte Menschen schnellstmöglich zu isolieren. Gerade im Fluchtkontext kann das eine immense Herausforderung sein. Aufklärungsmaßnahmen sind dann besonders wichtig. Unsere Teams im Kongo und anderen Gebieten, in denen MPox und ähnliche Krankheiten auftauchen, sind darin geschult, entsprechende Bildungsarbeit zu leisten. Gleichzeitig arbeiten wir mit Partnern zusammen, um Medikamente zu verteilen, die gegen die Symptome von Krankheiten helfen.
Gegen Polio gibt es einen hochwirksamen Impfstoff, eine Erkrankung an der aktuellen MPox-Variante kann durch eine Impfung gegen die sogenannten echten Pocken abgeschwächt werden. Gegen Cholera gibt es einen Impfstoff, der zumindest über einen gewissen Zeitraum schützt.
Im Globalen Süden kommen diese Impfstoffe jedoch oft nicht an. Gerade wenn Krieg herrscht, sind Grenzübergänge oft geschlossen – wie aktuell in Gaza oder im Sudan. Hilfstransporte kommen in solchen Situationen zu spät oder gar nicht an. Zudem sind Gesundheitseinrichtungen, in denen geimpft werden könnte, zerstört und nicht mehr funktionsfähig.
Länder des Globalen Südens werden bei der Produktion zudem nicht mitgedacht – weil es sich finanziell für die Hersteller nicht lohnt. Die Problematik gab es beispielsweise bereits beim Covid-Impfstoff. Im Falle des Pocken-Impfstoffes ist es etwa aktuell so, dass zwei Millionen Dosen für betroffene afrikanische Länder geliefert werden müssten, um den aktuellen Ausbruch zu bekämpfen – so schätzt es das African Center for Disease Control (African CDC) ein. Eigene Reserven und Spenden des Impfstoffproduzenten umfassen laut eines Berichts von Medico International lediglich 215.000 Dosen. Weitere 50.000 sollen aus den USA kommen, zusätzliche 100.000 wurden aus Deutschland angekündigt. Im Vergleich zur benötigten Gesamtzahl ist das jedoch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, der den Ausbruch wohl kaum stoppen wird.
Krankheiten als Kriegswaffe: Warum Kampfhandlungen gestoppt werden müssen
Die verfügbaren Impfdosen müssen verteilt werden. Dazu ist in Krisengebieten zwingend ein Stopp jeglicher Angriffe notwendig. Nur so können mobile Teams in Gemeinden und Geflüchtetenlagern sicher arbeiten und auch Familien in schwer erreichbaren Gegenden schützen.
In Gaza setzen wir uns mit unserer Petition für einen Stopp der Kampfhandlungen ein.
Ohne einen sofortigen Waffenstillstand und den Zugang zu Impfstoffen und humanitärer Hilfe im gesamten Gazastreifen droht den Menschen in Gaza eine Hunger- und Gesundheitskatastrophe. Wenn nicht sofort gehandelt wird, sind Kinder in der gesamten Region und darüber hinaus gefährdet.
Ein Waffenstillstand – in Gaza und in anderen Krisengebieten wie dem Sudan – muss dazu genutzt werden, um die Grundbedürfnisse der Bevölkerung zu decken. Dazu gehören neben Medikamenten und dem Schutz vor Krankheiten vor allem Lebensmittel und andere Güter des täglichen Bedarfs. Der humanitäre Zugang zu Konfliktgebieten muss jederzeit gegeben sein.