Sechs Monate nach Waffenstillstand: Über eine Million Menschen hungern im Libanon – anhaltende Instabilität erschwert humanitäre Hilfe
Sechs Monate nach Inkrafttreten des Waffenstillstands im Libanon bleibt die humanitäre Lage dramatisch. Trotz des Abkommens vom November 2024 dauern militärische Auseinandersetzungen insbesondere im Süden, in der Bekaa-Ebene sowie in den südlichen Vororten Beiruts an. Diese führen weiterhin zu massiven Schäden an ziviler Infrastruktur und verschärfen die humanitäre Lage.
Im Libanon sind aktuell rund 1,2 Millionen Menschen von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen – unter ihnen Migrant*innen und Geflüchtete aus dem Libanon, Syrien und Palästina. Über 90.000 Menschen gelten weiterhin als Binnenvertriebene und leben häufig unter prekären Bedingungen ohne gesicherten Zugang zu Nahrung, sauberem Wasser oder medizinischer Versorgung.
„Am 8. Mai kam es innerhalb einer Stunde zu mehr als 19 Luftangriffen im Südlibanon, unweit unserer Verteilungsstellen. Wir mussten unsere Arbeit vorübergehend unterbrechen“, berichtet Suzanne Takkenberg, Landesdirektorin von Aktion gegen den Hunger im Libanon.
Zerstörung, Vertreibung und Hunger
Viele der zurückgekehrten Familien können ihre Häuser nicht wieder bewohnen, weil diese zerstört wurden oder nicht explodierte Kampfmittel das Gelände unsicher machen. Menschen wie Ali, dessen Haus im Süden Beiruts im September 2024 völlig zerstört wurde, leben seit Monaten in provisorischen Unterkünften. In der Notunterkunft in Bir Hassan, wo er sich derzeit aufhält, fehlt es an Möbeln, Privatsphäre und grundlegender Infrastruktur.
Ebenso dramatisch ist die Lage im Süden des Landes: Mahmoud aus Odaisseh musste mit seiner Familie ins ehemalige Montana-Hotel in Marwanieh fliehen, das heute fast 100 Familien beherbergt. „Wenn die Hilfsorganisationen hier nicht mehr wären, wären wir auf uns allein gestellt – wie in einer Wüste“, sagt er.
Landwirtschaft im Kollaps – 11 Milliarden US-Dollar Schaden
Besonders stark betroffen ist der Agrarsektor: Seit Beginn des Konflikts im Oktober 2023 belaufen sich die Schäden in diesem Sektor laut Weltbank auf mindestens 11 Milliarden US-Dollar. Viele Bäuerinnen und Bauern haben ihr Land verloren oder können es aufgrund zerstörter Infrastruktur und fehlender Betriebsmittel nicht bewirtschaften.
Ein Beispiel ist Jaafar, Landwirt aus dem Dorf Beit Lif nahe der israelischen Grenze. Nur noch rund 125 der ehemals 7.000 Bewohner leben heute dort. „Alle Felder sind verwüstet, die Bäume zerstört“, sagt er. Hohe Preise für Dünger und Diesel sowie beschädigte Wasserinfrastruktur erschweren jede Rückkehr zur Selbstversorgung.
Hilfe, die ankommt – aber mehr Unterstützung ist nötig
Aktion gegen den Hunger versorgt betroffene Familien in den Regionen Beirut, Bekaa, Baalbek-Hermel, Nabatiyeh und Südlibanon mit lebenswichtigen Gütern: Trinkwasser, Hygieneartikel, Nahrungsergänzungsmittel, medizinische Unterstützung, Bargeldhilfen sowie Maßnahmen zur Wiederherstellung landwirtschaftlicher Flächen und Wassersysteme.
„Die Menschen brauchen Notunterkünfte, Zugang zu sauberem Wasser, sanitäre Einrichtungen und Grundnahrungsmittel“, so Takkenberg. „Der Bedarf ist immens und ohne umfassende humanitäre Hilfe wird sich die Lage weiter verschärfen.“
Aktion gegen den Hunger ist seit 2006 im Libanon im Einsatz.
Über Aktion gegen den Hunger
Aktion gegen den Hunger ist eine humanitäre und entwicklungspolitische Hilfsorganisation, die weltweit in 56 Ländern und Regionen aktiv ist und über 21 Millionen Menschen unterstützt. Seit mehr als 45 Jahren kämpft Aktion gegen den Hunger gegen Mangelernährung, schafft Zugang zu sauberem Wasser und gesundheitlicher Versorgung. 8.987 Mitarbeitende leisten Nothilfe und unterstützen Menschen beim Aufbau nachhaltiger Lebensgrundlagen.
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