Collage: Frau und Kind hinter einem Wasserhahn, eine Mitarbeiterin von Aktion gegen den Hunger stellt Pakete zusammen, eine Schlange an Menschen wartet auf Wasserausgabe.

Wassermangel im Flüchtlingslager: Das Leid sudanesischer Geflüchteter im Tschad

Tausende sudanesische Geflüchtete strömen weiterhin an die Grenze zum Tschad und suchen verzweifelt Schutz vor der Instabilität und Gewalt, die ihr Land heimsuchen. Die humanitäre Lage vor Ort ist alarmierend: Die Infrastruktur ist überlastet, lebenswichtige Ressourcen wie Wasser und Nahrungsmittel werden knapp, und der Zugang zu medizinischer Versorgung ist nach wie vor eingeschränkt. Angesichts dieser Krise haben die Teams von Aktion gegen den Hunger eine Nothilfeaktion in den Vertriebenenlagern in der Provinz Wadi Fira im Osten des Tschad gestartet. 

Tschad: Verbesserung des Zugangs zu Wasser und sanitären Einrichtungen in den Lagern  

Nach den neuesten Zahlen des Hohen Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR) sind seit Beginn des Krieges im Sudan vier Millionen Menschen in die Nachbarländer geflohen, davon 1,2 Millionen in den Tschad.  

Ende April 2025 führten die Gewalttaten in der lange belagerten und mittlerweile eingenommenen Stadt Al-Faschir und der Angriff auf das Flüchtlingslager Zam Zam (Darfur) zu einem starken Zustrom von fast 70.000 Neuankömmlingen im Mai, hauptsächlich Frauen und Kinder, von denen mehr als 50 Prozent in Wadi Fira untergebracht wurden. [1] Seitdem versuchen immer wieder Familien aus Al-Faschir zu flüchten.

Die Transitlager in Tiné, dem wichtigsten Einreiseort in die Provinz an der Grenze zum Sudan, sind als vorübergehende Ankunftsorte gedacht, an denen die Menschen vorübergehend untergebracht werden, bevor sie in andere Flüchtlingslager in der Provinz weitergeleitet werden. „Die Lebensbedingungen in diesem Lager sind katastrophal. Die Flüchtenden warten wochen- oder sogar monatelang in diesem Transitlager, bevor sie in Lager umgesiedelt werden, in denen die Hilfsorganisationen ebenfalls nicht ausreichend auf die Bedürfnisse reagieren können“, erklärt Michele Torti, Koordinator für die Nothilfe von Aktion gegen den Hunger in Wadi Fira.  

Angesichts der dringenden Lage und mit finanzieller Unterstützung der schwedischen Agentur für internationale Entwicklungszusammenarbeit (SIDA) führen die Teams von Aktion gegen den Hunger eine Nothilfeaktion für Wasser-, Hygiene- und Sanitärversorgung in der Erweiterung des Flüchtlingslagers Iridimi in der Provinz Wadi Fira durch.  

Dieses Lager, das mehr als 70 km von Tiné entfernt liegt, beherbergt seit mehreren Jahren zahlreiche Geflüchtete. Um den steigenden Zustrom und den wachsenden Bedarf zu bewältigen, wurde eine Erweiterung für 30.000 zusätzliche Menschen geschaffen.  

„Durch den massiven Zustrom von Flüchtenden sind diese Lager überfüllt und lebenswichtige Ressourcen wie Wasser und Nahrungsmittel werden knapp. Heute überleben die Menschen dort mit weniger als 5 Litern Wasser pro Person und Tag. Das ist weit entfernt von den 15 Litern, die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlen werden”, warnt M. Torti.  

Angesichts dieser Problematik sind Wasser, Hygiene und Sanitäranlagen die Priorität von Aktion gegen den Hunger. Die Teams verteilen Hygiene-Sets, bauen Latrinen und liefern Trinkwasser mit Tanklastwagen in die Erweiterungsgebiete des Lagers.  

„In Iridimi gibt es nur etwa hundert Latrinen für Zehntausende von Menschen. Ohne Zugang zu Wasser und angemessener Infrastruktur gibt es keinerlei Hygiene. Es ist dringend notwendig, die Wasserversorgung in den Lagern zu verbessern.“ – Michele Torti 

Menschen zapfen sich Wasser an einem Brunnen im Tschad ab.
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Sauberes Wasser ist knapp im Lager Iridimi an der Grenze des Tschad zum Sudan. Die Menge muss rationiert werden, damit alle versorgt werden können.

Jan Sebastian Friedrich-Rust, Geschäftsführer von Aktion gegen den Hunger in Deutschland, war Anfang Dezember 2025 nach einer Reise in den Sudan schließlich auch im Tschad und hat dort unter anderem das Lager in Adre besucht. Dort hatte er die Möglichkeit, mit Familien zu sprechen, die vor der Gewalt in Al-Faschir fliehen konnten. Was sie berichten, lässt selbst einem erfahrenen Mitarbeiter den Atem stocken.

Al-Faschir ist Alis Heimat – doch diese Heimat gibt es nur noch in seiner Erinnerung. Sein Haus ist durch den Krieg komplett zerstört worden, seine Frau und vier Söhne kamen dabei ums Leben. Er und zwei seiner Töchter überlebten knapp. Eine Tochter wurde schwer verletzt und verlor einen Arm, er selbst ein Bein.  

Erst vor kurzen fand der Rest der Familie die Kraft, um zu fliehen. Doch auf der Flucht wurde die Familie ihrer letzten Habseligkeiten beraubt. Mit letzter Kraft kamen sie vor einigen Tagen in Adre im Tschad an: „Zwei meiner Kinder haben Behinderungen. Wir mussten sie abwechselnd tragen, um sie in Sicherheit zu bringen“, sagt er. 

Ali erzählt, dass er sehr dankbar ist, nun vorerst einen Platz im Lager für seine Familie gefunden haben. „Hier gibt es Wasser“, sagt er. Aber auch das reiche längst nicht mehr für alle. Und es fehle auch hier an Lebensmitteln. Vor allem habe er hier keine Arbeit, dabei sei seine Familie auf ihn angewiesen. Auch seinen Bruder möchte er versorgen, der eine Behinderung hat und mit ihm geflüchtet ist. 

Was sie am dringendsten brauchen, fragen wir. „Alles“, erwidert Ali verzweifelt. „Wir haben nichts mehr.“ 

In Situationen wie dieser setzt unsere Nothilfe an. Wir unterstützen Familien auf der Flucht wie die von Ali mit Lebensmitteln und sauberem Wasser, sprechen mit ihnen und leisten psychosoziale Hilfe, um das Erlebte verarbeiten zu können. 

Bedrückend ist auch die Geschichte von Fatima Mohamed Adam und ihrer Familie. Auch sie stammen aus Al-Faschir. Zwei Jahre lang mussten sie sich während der Belagerung immer wieder in Kellergewölben verstecken. Zu Essen gab es nur spärlich, alle hatten täglich Hunger und litten an Unterernährung. „Ich habe einfach alle verloren, meine Familie, meine Verwandten, einfach alle”, sagt Fatima über die Zeit in Al-Faschir. Ihren Mann musste sie begraben, genauso wie einen Teil ihrer Kinder. Sie wurde Zeugin von Morden und von Vergewaltigungen. 

Nun ist sie nach einer harten Reise mit den wenigen verbliebenen Verwandten in Adre angekommen. Doch auch hier fehlt es an allem. Auf die Frage, was sie am meisten braucht, sagt sie, dass sie für alles dankbar sei. Denn sie habe nichts mehr. 

Erhebliche Gesundheits- und Ernährungsrisiken 

Die Regenzeit ist in vollem Gange (Juni bis September) und die Sorgen bleiben bestehen. „Mit den starken Regenfällen werden die Lager immer unzugänglicher und es besteht die Gefahr von Überschwemmungen und damit von Epidemien und wasserbedingten Krankheiten“, erklärt Michele Torti. 

„Die unzureichende Infrastruktur für den Zugang zu Trinkwasser, Hygiene und sanitären Einrichtungen birgt das Risiko von Epidemien, insbesondere von Cholera, wie es derzeit im Sudan der Fall ist. Es müssen dringend Maßnahmen ergriffen werden, um eine Ausbreitung der Krankheit in den Lagern und den Aufnahmegemeinden zu verhindern, da dies katastrophale Folgen für die ohnehin schon sehr gefährdete Bevölkerung haben könnte“, warnt er. 

Parallel zur WASH-Unterstützung werden Ernährungsuntersuchungen und Überweisungen durchgeführt, um der besorgniserregenden Ernährungssituation der Kinder entgegenzuwirken. „Nach den Ergebnissen der letzten Untersuchung, die zwischen Mai und Juni 2025 durchgeführt wurde, galten mehr als 10 Prozent der neuen Geflüchteten als schwer akut unterernährt. Bei Kindern unter fünf Jahren wurden 435 neue Fälle von schwerer akuter Unterernährung festgestellt.“ 

„Außerdem sind die Menschen, die in diesen Lagern ankommen, erschöpft von der Flucht und den Gewalttaten, die sie möglicherweise erlebt haben. Deshalb bieten unsere Teams auch psychosoziale Unterstützung an, um den Menschen bei der Bewältigung ihres Stresses zu helfen, aber angesichts der erlebten Traumata und Dramen ist der Bedarf nach wie vor enorm.“ 

Eine kritische Situation mit unzureichender Finanzierung 

Der humanitäre Bedarf ist enorm, NGOs und Behörden haben Schwierigkeiten, die dringenden Bedürfnisse der Menschen auf der Flucht in Bezug auf Unterkünfte, Wasser, sanitäre Einrichtungen, Gesundheit und Ernährung wirksam zu decken. Nach dem Humanitären Hilfsplan sind bislang nur 11 Prozent der Mittel finanziert[2], und es fehlen dringend Mittel, um auf diese neue Notlage zu reagieren. 

Über den Bedarf an Trinkwasser und Hygiene hinaus sind die Gesundheits- und Ernährungsmaßnahmen unzureichend. „Die Menschen, die in den Lagern leben, sind vollständig von der Hilfe der NGOs und der Vereinten Nationen abhängig. Angesichts des derzeitigen allgemeinen Rückgangs der internationalen Finanzmittel sind die Organisationen jedoch am Ende ihrer Kräfte.“ 

„Es ist notwendig, Fälle von akuter Unterernährung nicht nur zu erkennen, sondern auch zu behandeln. Leider sind unsere Kapazitäten aufgrund fehlender Mittel derzeit sehr begrenzt“, schließt Michele Torti. 

12. DEZEMBER 2025
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