
Gaza-Stadt: Evakuierungsaufruf gefährdet unsere Hilfe für mangelernährte Kinder
Aktion gegen den Hunger warnt eindringlich vor den Folgen der geplanten Militäroperationen und den Evakuierungsbefehlen. Die Organisation ist selbst betroffen: Sechs von insgesamt 13 Behandlungszentren für akute und schwere Mangelernährung befinden sich in Gaza-Stadt. Allein im Juli und August wurden über 400 Fälle mangelernährter Kinder aufgenommen, 20 Prozent davon mit schwerer Unterernährung.
„Was wir in Gaza-Stadt erleben, ist nicht nur eine Krise, sondern ein Zusammenbruch der menschlichen Existenz“, sagte Natalia Anguera, Einsatzleiterin von Aktion gegen den Hunger im Nahen Osten. „Die Familien sind hungrig, erschöpft und können sich nicht vorstellen, ihre Kinder erneut umzusiedeln – einige schon zum 26. Mal in weniger als zwei Jahren.“
Die geplanten militärischen Operationen im Norden Gazas könnten fast eine Million Menschen gewaltsam in den Süden vertreiben und damit die Versorgung dieser besonders gefährdeten Gruppen unterbrechen. Eine Zwangsumsiedlung stellt, wenn sie systematisch gegen die Zivilbevölkerung erfolgt, einen schweren Verstoß gegen das Völkerrecht dar. „Wir fordern alle Konfliktparteien nachdrücklich auf, das humanitäre Völkerrecht zu achten, Hilfsgüter zuzulassen und humanitären Helfern sicheren Zugang zu gewähren“, fügt Natalia Anguera hinzu.
Sinkende Wasserverfügbarkeit und Hungerkrise
Wichtige Maßnahmen wie die Wasserversorgung per Lkw und die Reparatur der sanitären Infrastruktur sind durch anhaltende Bombardierungen, Bodenoperationen und Vertreibungsbefehle gefährdet. In Gaza-Stadt ist die Wasserverfügbarkeit um 70 Prozent gesunken und viele Familien sind auf eine Versorgung durch Lkws angewiesen – was nur eine Notlösung sein sollte. Viele Familien verfügen nicht über die Mittel, das begrenzt verfügbare Wasser zu sammeln oder zu speichern. Zudem schränken militärische Aktivitäten den Zugang von Lkws ein.
Ohne die Wiederherstellung der Wasser- und Sanitärinfrastruktur drohen Hunger und Krankheit. Laut IPC-Bericht von Ende August sind 641.000 Menschen akut vom Hungertod bedroht, darunter eine erschreckend hohe Zahl von Kindern.
Mindestens 86 Prozent des Gazastreifens unterliegen bereits Vertreibungsbefehlen oder gelten als militärische Zonen. Eine hohe Bevölkerungsdichte auf engem Raum und die massiv zerstörte Infrastruktur erschweren den Zugang zu Wasser, Nahrung, Unterkünften und Gesundheitsversorgung erheblich.
„Es ist schwer vorstellbar, dass fast eine Million Menschen in den Süden zurückkehren können. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll. Es gibt keine Unterkünfte mehr. Es gibt keine Zelte, keine Planen. Die Menschen bauen sich aus dem Nichts Unterkünfte“, erzählt ein Mitarbeiter von Aktion gegen den Hunger in Gaza.
Humanitäre Organisationen dürfen nicht zur Zwangsumsiedlung instrumentalisiert werden
Die Teams von Aktion gegen den Hunger sind selbst von Vertreibung bedroht und riskieren, den Zugang zu Gebieten zu verlieren, in denen sie Hilfe leisten. Aktion gegen den Hunger unterstützt Gemeinden dort, wo sie sich befinden. Humanitäre Maßnahmen dürfen nicht zur Vertreibung führen, indem Menschen ihre Heimat verlassen müssen, weil sie keine Hilfe mehr erhalten.
„Selbst unter diesen Umständen bekräftigen wir unsere Verpflichtung, den Menschen zu helfen, wo immer sie sich befinden, und wir werden so lange wie möglich in Gaza-Stadt präsent bleiben, um lebensrettende Hilfe zu leisten“, erklärt Natalia Anguera.
Aktion gegen den Hunger fordert einen dauerhaften Waffenstillstand, die bedingungslose Freilassung aller Geiseln und zivilen Häftlinge sowie einen uneingeschränkten, umfassenden und dauerhaften Zugang für humanitäre Helfer. Jede Evakuierung darf höchstens vorübergehend sein und die Menschen müssen wieder in ihre Häuser zurückkehren können. Ein sicherer und würdiger Zugang zu Unterkünften, Wasser, Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung muss gewährleistet sein.
Aktion gegen den Hunger arbeitet seit 2002 in den besetzten palästinensischen Gebieten, unterstützt bedürftige Gemeinden und leistet Hilfe für Binnenvertriebene in akuten Notlagen.
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