Kinder in Notunterkunft im Gazastreifen

Neuer UN-Bericht: Jeder zweite Mensch in Gaza von Hungersnot bedroht

Pressemitteilung vom: 18.03.2024

Im Gazastreifen droht eine Hungersnot. Das geht aus dem heute erschienenen UN-Bericht zur Ernährungssicherheit in der Region hervor. Die gesamte Bevölkerung befindet sich in einer Hungerkrise. 50 Prozent der Menschen sind von einer Hungersnot bedroht. Aktion gegen den Hunger fordert eine sofortige humanitäre Waffenruhe und sicheren Zugang für lebensrettende humanitäre Hilfe. Nur so kann eine Hungersnot verhindert werden. 

Die Ergebnisse des Berichts über die Ernährungslage in Gaza, der heute von einem Expertengremium der Integrated Food Security Phase Classification (IPC) veröffentlicht wurde, sind erschütternd: Die gesamte Bevölkerung um Gazastreifen befindet sich in einer Ernährungskrise. Die Hälfte der Bevölkerung, rund 1,1 Millionen Menschen, ist von einer katastrophalen Ernährungssituation betroffen und von einer Hungersnot bedroht. Im zuletzt erschienenen IPC-Bericht von Dezember 2023 wurden schon 17 Prozent der Bevölkerung als kurz vor der Hungersnot eingestuft. Das IPC-Expertengremium ist ein Zusammenschluss der Vereinten Nationen, Regierungen und Hilfsorganisationen wie Aktion gegen den Hunger.  

„Wir arbeiten seit 20 Jahren in Gaza und so etwas habe ich noch nie gesehen. 80 Prozent der Kinder haben Infektionskrankheiten, 70 Prozent haben Durchfall. Sie haben nicht genug zu essen. Die Gesundheitsversorgung funktioniert nicht, Mangelernährung greift um sich. Und das ist erst der Anfang“, berichtet Vincent Stehli, Direktor für Programme von Aktion gegen den Hunger, der gerade vor Ort im Gazastreifen ist. 

Nordgaza: 70 Prozent der Bevölkerung von Hungersnot bedroht 

Vor allem im Norden des Gazastreifens ist die Lage katastrophal. In dem zerstörten Gebiet ist es fast unmöglich geworden, humanitäre Hilfe zu leisten. Hier könnten in den folgenden Wochen 7 von 10 Bewohner*innen von einer Hungersnot bedroht sein. Aber auch in Rafah, dem aufgrund der großen Fluchtbewegungen derzeit am stärksten bevölkerten Gebiet, herrscht extremer Hunger. 45 Prozent der Menschen sind hier von einer Hungersnot bedroht. Die humanitäre Hilfe ist nach wie vor völlig unzureichend, um die über 2 Millionen in Gaza festsitzenden Menschen zu versorgen.  

Wenn Menschen unter starkem Hunger leiden, sind die Symptome grausam. Neben extremen Schmerzen kommt es zu Elektrolytstörungen, Müdigkeit, psychischen Beeinträchtigungen und der Schädigung wichtiger Organe. In Gaza nehmen verzweifelte Menschen bereits Tierfutter zu sich. Uns erreichen Berichte über Menschen, die sich von Heu, Stroh und anderem Futter für Rinder, Ziegen und Schafe ernähren. 

Humanitäre Waffenruhe kann Hungersnot verhindern 

„Das Leid der Menschen in Gaza ist nicht hinnehmbar. Hunger darf unter keinen Umständen als Kriegswaffe eingesetzt werden. Wir appellieren an alle Konfliktparteien, sich auf eine sofortige humanitäre Waffenruhe zu einigen. Die in Gaza festgehaltenen Geiseln müssen unverzüglich freigelassen werden. Es müssen alle notwendigen Schritte unternommen werden, die Zivilbevölkerung zu schützen und die humanitäre Hilfe massiv auszuweiten“, sagt Jan Sebastian Friedrich-Rust, Geschäftsführer von Aktion gegen den Hunger.  

Aktion gegen den Hunger appelliert auch an Drittstaaten, die Umsetzung der Resolution 2712 des UN-Sicherheitsrats aktiv voranzutreiben. Die Resolution fordert eine humanitäre Pause der Kämpfe und die Einrichtung sicherer Korridore im gesamten Gazastreifen, um humanitären Organisationen schnell und ungehindert Zugang zu gewähren. Dabei ist dem Landweg Vorrang einzuräumen, insbesondere an den Grenzübergängen Rafah, Kerem Shalom/Kerem Abu Salem, Erez/Beit Hanoun und Karni.

Extreme Lebensmittelknappheit in Geflüchtetencamps 

Ein aktueller Bericht von Insecurity Insight bestätigt, wie begrenzt die Verfügbarkeit von Grundnahrungsmitteln in Gaza geworden ist. Inzwischen fehlt es 1,7 Millionen Binnenvertriebenen zudem an Kochutensilien, Wasser und Brennstoff, so dass sie nahrhafte Lebensmittel nicht effektiv nutzen können, selbst wenn sie verfügbar sind. 

„Bewaffnete Konflikte und Gewalt sind einer der Hauptgründe für den weltweiten Hunger. So auch im Gazastreifen: Die Landwirtschaft liegt brach, da Äcker mit Sprengsätzen verseucht sind. Die Menschen können nicht mehr fischen gehen. Lebensmittelgeschäfte und Märkte wurden zerstört. Von 97 Bäckereien, die vor dem 7. Oktober geöffnet waren, sind nur noch 15 in Betrieb“, so Friedrich-Rust.   

Aktion gegen den Hunger in Gaza 

In den vergangenen fünf Monaten hat Aktion gegen den Hunger unter extremen und äußerst gefährlichen Bedingungen humanitäre Hilfe geleistet und mehr als eine halbe Million Menschen erreicht. Wir haben Lebensmittel, warme Mahlzeiten und Hygienekits verteilt, Zugang zu Trinkwasser und Latrinen ermöglicht, Unterkünfte bereitgestellt und Abfälle entsorgt. Unsere absolute Priorität ist die Nothilfe für die Zivilbevölkerung vor Ort. Aktion gegen den Hunger leistet seit 2005 humanitäre Hilfe im Gazastreifen

Hinweis an die Redaktionen 

Gern vermitteln wir Ihnen Interviewpartner*innen (Englisch, Französisch, Spanisch). 

5. APRIL 2024
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