
Frauen und andere benachteiligte Gruppen leiden überproportional unter Krisen – denn diskriminierende Strukturen verstärken sich in Zeiten von bewaffneten Konflikten oder wirtschaftlichen Rezessionen. Die COVID-19-Pandemie zum Beispiel hat die Situation von Frauen auf der ganzen Welt verschlechtert: Insgesamt 13 Millionen Frauen haben durch Corona ihre Jobs verloren, gleichzeitig lastete die Haus- und Sorgearbeit überproportional auf ihren Schultern.
Auch Hunger und Geschlechtergerechtigkeit hängen eng zusammen. Frauen und Mädchen haben weltweit ein um 30 Prozent höheres Risiko, an Hunger zu leiden!
Gleiche Rechte für alle – mehr Entwicklung
Gleichzeitig beweisen Studien, dass die weltweite Armut abnehmen würde, wenn es mehr Gleichberechtigung gäbe. Wenn Frauen im Globalen Süden die gleichen Rechte und Möglichkeiten hätten wie Männer, würden 150 Millionen Menschen weniger hungern. Genau da setzt feministische Entwicklungszusammenarbeit an. Nachhaltige Entwicklung für alle Menschen kann nur funktionieren, wenn alle gleichberechtigt daran teilhaben können. Kurz zusammengefasst baut eine feministische Entwicklungspolitik auf den "3 R" auf:
Rechte: die rechtliche Gleichstellung von Frauen und anderen benachteiligten Gruppen auf allen Ebenen vorantreiben
Ressourcen: mehr Gelder für politische Programme, die Geschlechtergerechtigkeit fördern
Repräsentanz: Eine wirklich feministische Politik passiert auf Augenhöhe – lokale feministische Organisationen und Frauengruppen müssen immer mit einbezogen werden und Entscheidungen mittragen
Möchtest du mehr erfahren? Hier spricht unsere Kollegin Lisa beim 17Ziele Podcast darüber, wie eine feministische Entwicklungspolitik aussehen könnte und warum Geschlechtergerechtigkeit so wichtig im Kampf gegen den Hunger ist:

Feministische Perspektive für die deutsche Politik
Auch die deutsche Entwicklungsministerin Svenja Schulze hat sich gleich nach ihrem Amtsantritt zu einer feministischen Entwicklungspolitik bekannt. Unter ihrer Leitung soll das Entwicklungsministerium (BMZ) vor allem Projekte finanzieren, "die Frauen gezielt fördern oder mindestens gleichberechtigt einbinden". Das ist eine riesengroße Chance! Ganz besonders, weil auch Außenministerin Annalena Baerbock eine feministische Außenpolitik betreiben möchte. Wenn die beiden Politikerinnen ihre Visionen umsetzen und an einem Strang ziehen, kann die aktuelle Bundesregierung einen guten Beitrag zu mehr Gerechtigkeit und weniger struktureller Ungleichheit leisten.
Das fordern wir von Svenja Schulze
Was muss passieren, damit unsere Entwicklungspolitik wirklich feministisch wird? Momentan hängt Deutschland nämlich im internationalen Vergleich noch ziemlich hinterher. Nur knapp die Hälfte aller aktuellen deutschen Entwicklungsprojekte sind gendersensibel – das ist viel zu wenig! Der Gender-Aktionsplan der EU schreibt vor, dass mindestens 85 Prozent der Außenmittel in Projekte fließen müssen, die Geschlechtergerechtigkeit als Haupt- oder Nebenziel fördern. Zudem sollen mindestens 20 Prozent der Außenmittel in Projekte investiert werden, die Geschlechtergerechtigkeit als Hauptziel verfolgen. Außerdem fordern wir die Einführung eines sogenannten "Gender Budgeting". Das bedeutet, dass alle finanziellen Mittel des gesamten Bundeshaushalts geschlechtergerecht verteilt werden sollen.
Feminismus bei Aktion gegen den Hunger
In unserer kanadischen Sektion gibt es seit 2015 ein dezidiertes "International Gender Unit". Das Team forscht zum Zusammenhang zwischen Hunger und Geschlecht und entwickelt unsere weltweiten Programme stetig weiter, um Frauen und andere marginalisierte Gruppen noch besser in den Blick zu nehmen. Dabei geht es einerseits darum, sichere Räume zu schaffen, geschlechtsbasierter Gewalt präventiv entgegenzuwirken und die besonderen Bedürfnisse von schwangeren und stillenden Frauen zu berücksichtigen. Vor allem aber versuchen wir in allen Projektphasen, Frauen aktiv in die Planung und Umsetzung einzubinden.
Wir haben mit Onome Ako, der kanadischen Geschäftsführerin von Aktion gegen den Hunger, gesprochen:
Was bedeutet feministische Entwicklungspolitik für dich?
Was sollte die Politik jetzt tun, um den Hunger zu bekämpfen?
Entwicklungszusammenarbeit dekolonialisieren
Letztlich ist feministische Entwicklungspolitik ein ganzheitlicher Ansatz, um das immer noch starke Gefälle zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden aufzubrechen. Die alte Denkschule, dass die reichen Industrieländer Geld und Ideen zur Verfügung stellen, um ärmeren Ländern "zu helfen", ist überholt. Wenn wir wirklich Menschen auf der ganzen Welt bessere Lebensbedingungen ermöglichen wollen, müssen wir ungerechte Strukturen und globale Ungleichheiten überwinden. Das heißt: mit lokalen Partner*innen auf Augenhöhe zusammenarbeiten, die feministische Zivilgesellschaft aktiv einbinden und langfristig genügend Gelder für eine nachhaltige Entwicklungspolitik zur Verfügung stellen.