Die 22-jährige Abak Anei Liai liegt in einer Unterkunft in Majok Yinthiou an der sudanesischen Grenze.

Die Auswirkungen des Konflikts auf Frauen und Mädchen im Sudan

Die Berichte sind furchtbar: Frauen im Sudan erzählen von der Gewalt, die sie seit Beginn des Konflikts im Land erfahren mussten. Sie wurden in ihren Häusern, auf der Straße, vor den Augen ihrer Kinder vergewaltigt und werden nun ihr Leben lang unter Schmerzen leiden. Auch wenn Aktion gegen den Hunger Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt im Sudan unterstützt, gibt es Wunden, deren Heilung lange dauern wird.

Warum wirkt sich der Konflikt unverhältnismäßig stark auf Frauen und Mädchen aus? Diese Frage stellen wir uns immer wieder. Alles, was wir hier schreiben, ist nur eine Schilderung und kann bei weitem nicht die grausame Realität widerspiegeln, unter der Frauen und Mädchen in diesem verheerenden Krieg leiden. Dennoch möchten wir die Ungerechtigkeiten so gut wie möglich aufdecken und zeigen, wie Frauen ein grundlegender Bestandteil der sudanesischen Zivilgesellschaft und Friedensbildung waren und weiterhin sind.

Der Konflikt im Sudan hat eine humanitäre Krise von äußerst alarmierendem Ausmaß ausgelöst. Die Eskalation der Gewalt, die am 15. April 2023 ausbrach, hat zur weltweit größten Vertreibungskrise sowie zu einer der schwersten Hungerkrisen auf dem Planeten geführt. 

Eine Familie aus dem Sudan auf dem beschwerlichen Weg in den Südsudan.
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Eine Familie wandert mit ihrem gesamten Hab und Gut vom Südsudan in den Sudan. 

Geschlechtsspezifische Gewalt ist eine der gravierendsten Folgen des Konflikts im Sudan. Rund 12 Millionen Menschen sind von geschlechtsspezifischer Gewalt bedroht. Berichte verschiedener Organisationen besagen, dass sudanesische Frauen und Mädchen sowohl in Konfliktgebieten als auch während der Vertreibung und in den Aufnahmeländern in alarmierendem Ausmaß sexualisierter Gewalt, sexualisierter Ausbeutung und Menschenhandel ausgesetzt sind.

Es ist nicht das erste Mal, dass Fälle sexualisierter Gewalt im Sudan gemeldet werden. Bereits während der Revolution von 2018, bei der Frauen einen sehr wichtigen Teil der Protestierenden ausmachten, litten sie erneut unter dem patriarchalischen Joch. In Darfur, einer Region des Landes, die besonders stark von wiederkehrenden Konflikten betroffen ist, waren und sind Frauen und Mädchen Opfer unzähliger Gräueltaten und Missachtung ihrer Menschenrechte. Das zeigen die aktuellen Berichte aus der eingenommenen Stadt Al-Faschir. 

Wir erhalten immer mehr Berichte von sudanesischen Frauen, die den Mut aufbringen, zu erzählen, was ihnen widerfahren ist. Stigmatisierung, Angst vor Repressalien, Scham, mangelnde Unterstützung und fehlender Zugang zu notwendigen Dienstleistungen oder Behörden sind nur einige der wichtigen Hindernisse und Gründe, die uns vermuten lassen, dass nur wenige Fälle gemeldet werden. Die Realität ist wahrscheinlich viel größer und schwerwiegender.

Zusätzlich zu der ohnehin schon verheerenden geschlechtsspezifischen Gewalt sind Frauen und Mädchen im Sudan weiterhin mit zahlreichen anderen Folgen des Konflikts konfrontiert. Im Gespräch mit einer Kollegin im Sudan, die ihren Bruder durch den Krieg verloren hat, erinnert sie daran, dass Tausende von Frauen ihre Ehemänner, Kinder, Verwandten und Freunde verloren haben. Zusätzlich zu ihrer unerträglichen Trauer sind sie durch den Mangel an sanitären Einrichtungen, sicheren und würdigen Toiletten und so grundlegenden Dingen wie sauberem Trinkwasser ernsthaften Gefahren ausgesetzt. „Frauen und Mädchen leiden enorm im Sudan. Wir brauchen Frieden“, sagte sie. 

Krise im Sudan

Im Sudan herrschen Hungersnotbedingungen. Der Konflikt hat wichtige Infrastruktur, Gesundheitseinrichtungen, Wasser- und Sanitärversorgung, landwirtschaftliche Flächen und vieles mehr zerstört. Die Bewegungsfreiheit ist stark eingeschränkt, und die meisten Menschen, die Zugang zu Märkten haben, können sich aufgrund der Inflation keine Grundbedarfsgüter leisten. 

 

 

Unterdessen dauert der Krieg an. Zu den am stärksten gefährdeten Personen zählen Schwangere, die enorme Schwierigkeiten beim Zugang zu Gesundheitsdiensten haben, da viele davon zerstört wurden oder viele Kilometer von den Unterkünften entfernt sind, in denen sie jetzt leben. Die Preise im Sudan sind aufgrund des Konflikts in die Höhe geschossen, und die Transportkosten sind unerschwinglich. Dies zwingt sie nicht nur zu stundenlangen Fußmärschen, bei denen sie Missbrauch und Belästigungen ausgesetzt sind, sondern hindert sie auch daran, die wenigen Gesundheitsdienste des Landes in Anspruch zu nehmen. Infolgedessen haben viele Frauen bei der Geburt ihr Leben verloren oder aufgrund mangelnder medizinischer Versorgung schwere Komplikationen erlitten.

Wiederkehrende Cholera-Ausbrüche im Land verstärken das Leid der Frauen und Mädchen. Cholera, eine hochansteckende Krankheit, die zu schwerem Durchfall und Dehydrierung führt, breitet sich in überfüllten Notunterkünften, insbesondere bei mangelnder Hygiene und fehlendem Zugang zu sauberem Wasser, rasch aus. Frauen und Mädchen im Sudan sind in der Regel dafür verantwortlich, unter der Gefahr von gewalttätigen Angriffen Wasser zu holen, mit potenziell kontaminiertem Wasser zu kochen und ihre Familien zu versorgen. Sie müssen weite Wege zurücklegen, um Wasser zu holen, was ihr Risiko erhöht, sich mit Cholera oder anderen durch Wasser übertragenen Krankheiten anzustecken. Da sie außerdem die Hauptpflegepersonen für kranke Menschen in ihren Familien sind, ist ihr Risiko, sich mit der Krankheit anzustecken, höher.

Die Zerstörung der Märkte im Sudan hat viele Frauen ihrer Einkommensquellen beraubt. Diese Situation beeinträchtigt nicht nur ihre Ernährungssicherheit und ihren Lebensunterhalt, sondern setzt sie auch einem höheren Risiko von Ausbeutung und Missbrauch aus, da sie nach Alternativen suchen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Um Zugang zu anderen Märkten zu erhalten, nehmen Frauen lange und gefährliche Wanderungen auf sich. Während ihrer Reise sind sie der Gefahr ausgesetzt, vergewaltigt, belästigt, entführt oder sogar getötet zu werden. Ganz zu schweigen davon, dass die unverhältnismäßige Last der Betreuungsaufgaben ihre Fähigkeit zur Teilnahme an wirtschaftlichen und bildungsbezogenen Aktivitäten einschränkt und so den Kreislauf von Armut und Abhängigkeit aufrechterhält. 

Eine Mitarbeiterin von Aktion gegen den Hunger gibt einer aus dem Sudan geflüchteten Mutter und ihrem Kind in einem Lager im Südsudan Tipps gegen Mangelernährung.
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Eine Mitarbeiterin von Aktion gegen den Hunger berät Mütter bezüglich therapeutischer Nahrung, mit der sie ihre oft mangelernährten Kinder in diesen Zeiten versorgen können.

Trotz dieser Herausforderungen haben sudanesische Frauen sowohl in der Vergangenheit als auch im aktuellen Konflikt enorme Widerstandsfähigkeit und Führungsstärke bewiesen. Die Plattform „Peace for Sudan“, die mehr als 49 von Frauen geführte Initiativen und Organisationen umfasst, beobachtet nicht nur Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt, sondern hat auch das Ziel, die Beteiligung von Frauen an einer nachhaltigen Friedensförderung zu erhöhen.

Die feministische Bewegung im Sudan, Gemeinschaftsorganisationen und Nachbarschaftsnetzwerke, von denen viele von Frauen geleitet werden, spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle bei der Verteilung humanitärer Hilfe. Bei Aktion gegen den Hunger, wo Schutz eine der wichtigsten Säulen unserer humanitären Hilfe im Sudan ist, wissen wir, dass wir ohne diese Organisationen nicht arbeiten können. Wir unterstützen die Einrichtung von Frauenzentren und den Aufbau von Schutznetzwerken in den Gemeinden. Neben der Unterstützung von Überlebenden geschlechtsspezifischer Gewalt durch eine sichere Hotline, psychosoziale Betreuung und medizinische Versorgung arbeiten die Teams im Sudan unermüdlich daran, Aufklärungsveranstaltungen zu organisieren, Frauengruppen zu bilden und Clubs zur Sensibilisierung für geschlechtsspezifische Gewalt in Schulen zu gründen.

Es ist unerlässlich, dass wir diese Frauennetzwerke anerkennen und unterstützen, da sie das Rückgrat des Widerstands und der Hoffnung im Sudan bilden. Die Widerstandsfähigkeit und Führungsstärke der sudanesischen Frauen bieten ein Licht der Hoffnung inmitten der Dunkelheit. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die internationale Gemeinschaft unverzüglich Maßnahmen ergreift, um den Schutz von Frauen und Mädchen zu gewährleisten, ihre wirtschaftliche Stärkung zu unterstützen und ihre Einbeziehung in Friedensverhandlungen, Entscheidungsprozesse und Planungen für eine sicherere Zukunft zu fördern. 

Unsere Arbeit im Sudan

Aktion gegen den Hunger ist seit 2018 im Sudan tätig. Angesichts der durch den Konflikt verursachten Vertreibung und Hungersnot haben unsere Teams ihre Nothilfe intensiviert. Wir sind in Weißer Nil, Blauer Nil, Süd-Kordofan und Zentral-Darfur im Einsatz und haben allein im letzten Jahr fast eine halbe Million Menschen unterstützt. Die Teams leisten Ernährungshilfe, versorgen die Menschen mit Wasser und helfen beim Aufbau sanitärer Einrichtungen, verteilen Hygieneartikel und schützen Frauen und Mädchen, die bei der Suche nach Ressourcen und humanitärer Hilfe einem erhöhten Risiko geschlechtsspezifischer und sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind. Die Teams sind auch im Südsudan im Einsatz und helfen vertriebenen Familien. 

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24. NOVEMBER 2025
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