
In Tigray rettet ein Schüler*innen-Club Leben: Durch Aufklärung über Hygiene-Maßnahmen gehen Durchfallerkrankungen dort zurück.
An der Mai-lomin-Grundschule in Tigray, Äthiopien, setzt sich ein Schüler*innenclub für bessere Wasser-, Sanitär- und Hygienepraktiken (WASH) ein. Die Clubmitglieder treffen sich regelmäßig, um sich über WASH zu informieren, ihre Mitschüler*innen aufzuklären und schulweite Aufräumaktionen zu organisieren. So erwerben die Kinder nicht nur Wissen und Führungsqualitäten, sondern retten auch Leben. Denn in Äthiopien sterben jedes Jahr 25.000 Kinder unter fünf Jahren an Durchfall, was vor allem auf mangelnde WASH-Infrastruktur und -Praktiken zurückzuführen ist.
Der Schülerclub ist aus einem Projekt von Aktion gegen den Hunger entstanden, das Hygiene in der Schule und der Gemeinde fördert. Zweimal pro Woche versammelt sich die gesamte Schule zu einer Unterrichtsstunde zu WASH-Themen wie:
- Händewaschen mit Seife,
- sicherer Umgang mit Wasser und dessen Aufbewahrung,
- Menstruationshygiene,
- Toilettenbenutzung und -reinigung,
- Entsorgung fester Abfälle und
- Krankheitsprävention.
Lehrer*innen und Mitarbeitende von Aktion gegen den Hunger gestalten den Unterricht mit interaktiven, fröhlichen Liedern, Spielen und Vorführungen, damit er Spaß macht und den Kindern besser im Gedächtnis bleibt.
Die Botschaften sind einfach, aber wirkungsvoll. Allein durch die Förderung des Händewaschens können laut einer Studie aus dem Jahr 2022 zur Wirksamkeit von WASH-Maßnahmen in Schulen Durchfallerkrankungen um bis zu 30 Prozent reduziert werden. Die häufigen Erinnerungen an das Händewaschen in der Schule tragen dazu bei, dass gute WASH-Praktiken zu lebenslangen Gewohnheiten werden. „Das Hygieneprojekt hat wirklich etwas bewirkt“, berichtet der Schulleiter. „Die Schüler waschen sich die Hände und halten die Schule sauber.“

Schüler*innen in Äthiopien lernen Hygiene-Maßnahmen.
Die Schüler*innen erhalten außerdem Hygiene-Sets mit wichtigen Artikeln wie Seife, Handtüchern und Nagelknipsern. Grundlegende Hygieneartikel tragen wesentlich dazu bei, eine saubere und sichere Lernumgebung zu schaffen. Sie sind besonders wichtig für Mädchen, die ohne WASH-Grundversorgung zusätzlich gehindert werden, eine schulische Bildung zu erhalten. Denn Mädchen fehlen laut Unicef häufig im Unterricht, wenn sie keine Möglichkeit haben, ihre Menstruation in der Schule zu hygienisch zu versorgen. Die Fehlzeiten führen zu Bildungsrückständen, die sich lebenslang auf die Chancen und das Einkommen der Mädchen auswirken. Um dies zu verhindern, enthalten die Hygiene-Sets für Mädchen im Teenageralter auch Unterwäsche, wiederverwendbare Damenbinden und Informationsbroschüren zum Thema Menstruationshygiene.
Die Existenz der Mai-lomin-Grundschule – mit ihrem erfolgreichen WASH-Programm – ist ein Beweis für die unglaubliche Widerstandsfähigkeit der Familien in Tigray, die die größten Hindernisse für den Zugang zu Bildung erlebt haben.
Multiple Krisen haben schwere Auswirkungen auf Bildung und Gesundheit in Tigray
Die Region Tigray im Norden Äthiopiens erlebte laut Council on Foreign Relations einen der tödlichsten Konflikte der jüngeren Geschichte, der von 2020 bis Ende 2022 andauerte. Er forderte 600.000 Todesopfer, 5,1 Millionen Binnenvertriebene und verursachte weitreichende Schäden an der Infrastruktur.
Die COVID-19-Pandemie überschneidet sich mit dem Beginn des Konflikts, und zwischen diesen beiden Katastrophen konnten etwa 2,4 Millionen Kinder im schulpflichtigen Alter drei Jahre lang nicht zur Schule gehen. Die Europäische Kommission warnt davor, dass diese drei Jahre langfristige Risiken für die Kinder mit sich bringen: „Längere Schulabwesenheit erhöht die Anfälligkeit von Kindern für verschiedene Formen von Gewalt, und die Unterbrechung ihrer Bildung kann zu Kinderarbeit führen und sie in einen Kreislauf der Armut treiben.“
Gleichzeitig erlebte Äthiopien die schlimmste Dürre seit 40 Jahren, wodurch Tigray in die IPC-Phase 4 (Notfall) der Ernährungsunsicherheit geriet. Der Verlust von Lebensgrundlagen, Ressourcen und Land war für die Familien unerträglich. Allein im Jahr 2022 meldete Unicef, dass 4,7 Millionen Kinder unter fünf Jahren in Äthiopien unterernährt waren.
Nach dem endgültigen Abschluss der Friedensgespräche im Jahr 2023 hätte die Rückkehr der Kinder in die Schulen oberste Priorität haben sollen, doch zu diesem Zeitpunkt war vom Bildungssystem kaum noch etwas übrig. Mehr als 9.000 Schulen waren zerstört worden, darunter auch viele Unterrichtsmaterialien. Das Bildungsministerium von Tigray berichtete, dass etwa 50 Prozent der Toiletten und 70 Prozent der Handwaschstationen in den Schulen zerstört waren. Darüber hinaus hatten die Familien immer noch mit Traumata, Vertreibung, extremer Armut, Ernährungsunsicherheit und Krankheitsausbrüchen wie Cholera zu kämpfen. Investitionen in Bildung schienen unmöglich. Die Einschulungsquote sank auf nur 40 Prozent, verglichen mit 85 Prozent vor dem Konflikt.
Wiederaufbau von Schulen und Wiederherstellung der Hoffnung im Nachkriegs-Äthiopien
Inmitten der Verwüstung war die Mai-lomin-Grundschule ein Hoffnungsschimmer. Sie öffnete ihre Türen wieder und ermöglichte einigen Kindern den ersten Schulbesuch; für andere war es nach Jahren der Unruhen eine willkommene Rückkehr zum Alltag. Allerdings waren die Wasser-, Sanitär- und Hygieneeinrichtungen der Schule zerstört – ein Verlust, der das Lernumfeld beeinträchtigte und Kinder und Lehrer*innen anfällig für die Ausbreitung von Krankheiten machte. Um dem entgegenzuwirken, startete Aktion gegen den Hunger ein Hygieneprogramm: Toiletten wurden gebaut, Wassersysteme repariert, Handwaschstationen installiert und Unterrichtseinheiten zur Nutzung der neuen Infrastruktur eingeführt. Das baufällige Gebäude entwickelte sich zu einem blühenden Lernort, an dem sich die Schüler auf ihre Ausbildung konzentrieren und von einer besseren Zukunft träumen können.
Die Mai-lomin-Grundschule ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie Wasser-, Sanitär- und Hygieneprogramme einer vom Krieg zerrütteten Gemeinde die Chance auf einen Neuanfang geben können. Mai-lomin ist eine von 47 Schulen in Äthiopien, die Aktion gegen den Hunger im Jahr 2025 bisher mit WASH-Sanierungsmaßnahmen unterstützt hat. Fast 18.000 Schüler*innen haben nun besseren Zugang zu den verbesserten Einrichtungen, und die Mitarbeitenden berichten von einem deutlichen Rückgang wasserbedingter Krankheiten. Andualem Sisay, Leiter der WASH-Programme von Aktion gegen den Hunger in Äthiopien, sagt: „Beim WASH-Programm geht es nicht nur um saubere Hände, sondern darum, den Kindern ihre Würde zurückzugeben, in einer Welt nach dem Konflikt wieder ein Gefühl der Normalität herzustellen und eine gesündere, widerstandsfähigere Gemeinschaft aufzubauen, einen Schüler nach dem anderen.“