Afghanistan: Internationale Sanktionen verschärfen humanitäre Situation der Menschen vor Ort

Ein Jahr nach der Machtübernahme der Taliban warnt Aktion gegen den Hunger vor einer humanitären Krise in Afghanistan. Fast die Hälfte der Bevölkerung ist von akutem Hunger bedroht, rund 95 Prozent haben nicht genug zu essen. Aufgrund des kollabierten Bankensystems ist die lokale Wirtschaft am Boden. Die internationalen Sanktionen verschärfen die prekäre Lage vor Ort. Die humanitäre und entwicklungspolitische Organisation fordert die Regierungen dazu auf, die Sanktionen gegen das Land sofort aufzuheben.

Die afghanische Wirtschaft, die zu 70 Prozent von internationaler Hilfe abhängig war, hat seit dem letzten Jahr einen dramatischen Einbruch erlebt. Die ausländischen Reserven der Zentralbank wurden eingefroren und die internationalen Hilfsgelder, die die wichtigsten staatlichen Dienstleistungen aufrechterhielten, sind eingebrochen. Die fehlenden Devisen aus dem Ausland haben zu einer dramatischen Liquiditätskrise geführt.

„Die Wirtschaftskrise betrifft alle. Menschen verkaufen ihre Möbel und Wertgegenstände auf der Straße, um an Bargeld zu kommen. Das kann so nicht weitergehen, wir müssen eine Lösung für diese durch die Sanktionen verursachte Situation finden“, kommentiert Samy Guessabi, Landesdirektor von Aktion gegen den Hunger in Afghanistan.

„Das Einfrieren der Guthaben der Afghanischen Zentralbank hat weiterhin sehr negative Auswirkungen auf die Wirtschaft des Landes und die Bevölkerung im Allgemeinen“, so Guessabi.

Auch die humanitäre Hilfe vor Ort ist mit zahlreichen Schwierigkeiten konfrontiert: Die Versorgung Afghanistans mit Medikamenten und anderen lebenswichtigen Gütern ist aufgrund des komplexen Importprozesses und der fehlenden Flugverbindungen eine Herausforderung. Neben den logistischen Problemen führt auch der Mangel an Bargeld zu Herausforderungen.

Aktion gegen den Hunger fordert: 

• eine Wiederaufnahme der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit, um die afghanische Wirtschaft anzukurbeln und die Armut zu bekämpfen; 
• eine Wiederherstellung des Bankensystems, das für die Weiterleitung der internationalen Hilfe, insbesondere für die humanitären Akteur*innen, unerlässlich ist. 

Die Teams von Aktion gegen den Hunger in Afghanistan haben ihr Personal deutlich aufgestockt und zusätzliche mobile Kliniken in Betrieb genommen, um dem wachsenden Bedarf gerecht zu werden. Die Organisation unterstützte seit Januar 2022 rund eine halbe Million Menschen mit Programmen in den Bereichen Gesundheit, Ernährungssicherheit, Wasser und Hygiene in fünf Provinzen des Landes, darunter auch Erdbebenopfer in den Provinzen Paktika und Khost. In Helmand sind unsere Ernährungs-Teams rund um die Uhr im Einsatz und behandeln Kinder, die an schwerer akuter Mangelernährung leiden. Aktion gegen den Hunger startete bereits 1979 mit Projekten in Afghanistan und ist seit der Neueröffnung des Büros im Jahr 1995 im Land tätig, um die Lebensgrundlagen für die besonders gefährdeten Menschen zu verbessern.